(Jes 2, 1–5; Röm 13, 11–14a; Mt 24, 29–44)
Liebe Schwestern und Brüder,
besonders adventlich erscheinen die biblischen Texte heute nicht. Freilich ist es auch die Frage, was denn eigentlich „adventlich“ heißt? Und ist es gleich so schlecht, wenn man damit Weihnachtsmarktatmosphäre verbindet? Natürlich nicht. Aber es geht im Advent um grundsätzlichere Fragen. Dass vielerorts letztlich schon Weihnachten gefeiert wird, ist sicher nicht gut. Es scheint so, als könnten wir mit dem Advent nicht wirklich etwas anfangen. Aber er thematisiert eben Jahr für Jahr grundlegende Dinge unseres Menschseins, aber auch des Glaubens.
Immer wieder wird uns jetzt gesagt, dass wir „wachsam“ sein sollen. Oft verbinden wir damit gleich wieder irgendetwas Moralisches, Bedrohliches. Das legen ja die biblischen Texte heute auch so nahe. Aber muss das so sein? Kann es nicht sein, dass es gut für unsere Seele und unser Leben ist, wenn wir daran erinnert werden, dass wir aufpassen sollen, uns nicht nur auf das Dunkle des Lebens zu fixieren?! Vielleicht sollten wir wieder neu bemerken, ob nicht viel mehr Kerzen der liebevollen Gottesgegenwart, des Wohlwollens, der Güte, der Liebe, der Achtsamkeit, der Wertschätzung in all‘ dieser Dunkelheit leuchten, als wir gewöhnlich wahrnehmen? Heißt wachsam sein nicht auch, dass ich mich vielleicht mehr um meine Seele, mein Innerstes, kümmern sollte, damit ich innerlich nicht verkümmere?
Auch, wenn ich es vielleicht nicht wahrhaben will, ja, wenn ich mich gar davor fürchte: die Seele sehnt sich nach mehr Stille in einer allzulauten Welt, nach Schweigen in so viel Wortschwalllärm, nach Alleinsein, was nicht Einsamkeit bedeutet und vieles mehr. In vielen Dingen kommt unsere Seele nicht mehr mit und nach, sind wir an einem „Ort“ selten zu Hause, nämlich bei uns selbst.
Darum wird uns im Advent gesagt, dass wir wachsam sein sollen. Nicht, um uns zu drohen, nicht, um uns wieder ein schlechtes Gewissen zu machen, weil ich eben wieder nicht am Ende zur Ruhe und Besinnung gekommen bin. Nein, es wird uns als Verheißung gesagt.
Niemand soll zurückgelassen werden in einem Leben, das den Tiefgang und liebevolle Beziehungen verloren hat. Es wird uns nur gesagt, dass wir innehalten sollen, um den Ruf Gottes nach uns zu hören. Es ist kein Drohruf, sondern ein Liebessehnen. Stell dich und dein Leben, deinen Alltag, all‘ das Unvermögen und Nichtvermögen, das Beängstigende, das dich und dein Leben Einschränkende in das Licht seiner zärtlichen Liebe und Gegenwart. Gott glaubt an dich und daran, dass du die Kurve kriegen kannst, um wieder mehr selbstbestimmt zu leben, zu hoffen, zu glauben und zu lieben. Darum ist der Advent so wichtig und darf nicht einfach vergessen werden. Es soll in uns und unter uns einfach wieder etwas heller werden.
Wie hieß es am Ende der 1. Lesung bei dem Propheten Jesaja? „Auf, wir wollen gehen im Licht des Herrn“ (Jes 2,5). Gott möge uns schenken, dass uns das immer wieder neu gelingt. Daran möge uns die erste Kerze am Adventskranz erinnern.
Wir wollen also wachsam sein und miteinander unser Leben leben im Licht der liebevollen und zärtlichen Augen Gottes. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)