1. Ad­vents­sonn­tag A (27.11.2022)

(Jes 2, 1–5; Röm 13, 11–14a; Mt 24, 29–44)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
be­son­ders ad­vent­lich er­schei­nen die bi­bli­schen Tex­te heu­te nicht. Frei­lich ist es auch die Fra­ge, was denn ei­gent­lich „ad­vent­lich“ heißt? Und ist es gleich so schlecht, wenn man da­mit Weih­nachts­markt­at­mo­sphä­re ver­bin­det? Na­tür­lich nicht. Aber es geht im Ad­vent um grund­sätz­li­che­re Fra­gen. Dass vie­ler­orts letzt­lich schon Weih­nach­ten ge­fei­ert wird, ist si­cher nicht gut. Es scheint so, als könn­ten wir mit dem Ad­vent nicht wirk­lich et­was an­fan­gen. Aber er the­ma­ti­siert eben Jahr für Jahr grund­le­gen­de Din­ge un­se­res Mensch­seins, aber auch des Glaubens.

Im­mer wie­der wird uns jetzt ge­sagt, dass wir „wach­sam“ sein sol­len. Oft ver­bin­den wir da­mit gleich wie­der ir­gend­et­was Mo­ra­li­sches, Be­droh­li­ches. Das le­gen ja die bi­bli­schen Tex­te heu­te auch so na­he. Aber muss das so sein? Kann es nicht sein, dass es gut für un­se­re See­le und un­ser Le­ben ist, wenn wir dar­an er­in­nert wer­den, dass wir auf­pas­sen sol­len, uns nicht nur auf das Dunk­le des Le­bens zu fi­xie­ren?! Viel­leicht soll­ten wir wie­der neu be­mer­ken, ob nicht viel mehr Ker­zen der lie­be­vol­len Got­tes­ge­gen­wart, des Wohl­wol­lens, der Gü­te, der Lie­be, der Acht­sam­keit, der Wert­schät­zung in all‘ die­ser Dun­kel­heit leuch­ten, als wir ge­wöhn­lich wahr­neh­men? Heißt wach­sam sein nicht auch, dass ich mich viel­leicht mehr um mei­ne See­le, mein In­ners­tes, küm­mern soll­te, da­mit ich in­ner­lich nicht verkümmere?

Auch, wenn ich es viel­leicht nicht wahr­ha­ben will, ja, wenn ich mich gar da­vor fürch­te: die See­le sehnt sich nach mehr Stil­le in ei­ner all­zu­lau­ten Welt, nach Schwei­gen in so viel Wort­schwall­lärm, nach Al­lein­sein, was nicht Ein­sam­keit be­deu­tet und vie­les mehr. In vie­len Din­gen kommt un­se­re See­le nicht mehr mit und nach, sind wir an ei­nem „Ort“ sel­ten zu Hau­se, näm­lich bei uns selbst.
Dar­um wird uns im Ad­vent ge­sagt, dass wir wach­sam sein sol­len. Nicht, um uns zu dro­hen, nicht, um uns wie­der ein schlech­tes Ge­wis­sen zu ma­chen, weil ich eben wie­der nicht am En­de zur Ru­he und Be­sin­nung ge­kom­men bin. Nein, es wird uns als Ver­hei­ßung ge­sagt.

Nie­mand soll zu­rück­ge­las­sen wer­den in ei­nem Le­ben, das den Tief­gang und lie­be­vol­le Be­zie­hun­gen ver­lo­ren hat. Es wird uns nur ge­sagt, dass wir in­ne­hal­ten sol­len, um den Ruf Got­tes nach uns zu hö­ren. Es ist kein Droh­ruf, son­dern ein Lie­bes­seh­nen. Stell dich und dein Le­ben, dei­nen All­tag, all‘ das Un­ver­mö­gen und Nicht­ver­mö­gen, das Be­ängs­ti­gen­de, das dich und dein Le­ben Ein­schrän­ken­de in das Licht sei­ner zärt­li­chen Lie­be und Ge­gen­wart. Gott glaubt an dich und dar­an, dass du die Kur­ve krie­gen kannst, um wie­der mehr selbst­be­stimmt zu le­ben, zu hof­fen, zu glau­ben und zu lie­ben. Dar­um ist der Ad­vent so wich­tig und darf nicht ein­fach ver­ges­sen wer­den. Es soll in uns und un­ter uns ein­fach wie­der et­was hel­ler wer­den.

Wie hieß es am En­de der 1. Le­sung bei dem Pro­phe­ten Je­sa­ja? „Auf, wir wol­len ge­hen im Licht des Herrn“ (Jes 2,5). Gott mö­ge uns schen­ken, dass uns das im­mer wie­der neu ge­lingt. Dar­an mö­ge uns die ers­te Ker­ze am Ad­vents­kranz er­in­nern.
Wir wol­len al­so wach­sam sein und mit­ein­an­der un­ser Le­ben le­ben im Licht der lie­be­vol­len und zärt­li­chen Au­gen Got­tes. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)