1. Ad­vents­sonn­tag B (03.12.2023)

(Jes 63, 16b-17.19b.64, 3–7; 1 Kor 1, 3–9; Mk 13, 33–37)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
die Men­schen al­ler Zei­ten ken­nen Er­fah­run­gen von Glück und Freu­de, aber auch von Un­glück, Schmerz und Leid. Und es wä­re schön, um Got­tes wil­len!, wenn wir Gott nicht nur bei dem zu­letzt Ge­nann­ten be­mü­hen. Denn dann be­steht die Ge­fahr, dass wir Gott nicht ge­nau­so in­ten­siv mit Glück und Freu­de ver­bin­den. Viel­leicht war und ist ge­ra­de auch die Kir­che im­mer wie­der die­ser Ge­fahr er­le­gen.
Aber auch je­ne Er­fah­rung muss frei­lich zu­ge­las­sen und darf nicht ver­drängt wer­den, dass man sich manch­mal ge­ra­de auch in schwie­ri­gen Zei­ten von Gott ver­las­sen fühlt. Da­von spricht heu­te auch die 1. Le­sung aus dem Buch Je­sa­ja. Ge­ra­de Chris­ten, die ger­ne so tun, als wä­re mit der Auf­er­ste­hung Je­su al­les ge­sagt und Ent­täu­schung, Angst und Zwei­fel hin­sicht­lich der Lie­be Got­tes in der Not ge­ra­de­zu ei­ne Sün­de, sie nei­gen da­zu, die­se Glau­bens­not zu ver­drän­gen, sie nicht zu­zu­las­sen, sie nicht wahr­ha­ben zu wol­len und das Thea­ter ei­ner un­an­ge­foch­te­nen Hal­le­lu­ja­men­ta­li­tät zu prak­ti­zie­ren. Hier meint üb­ri­gens das Wach­sam­sein des Evan­ge­li­ums, dass wir ge­nau das eben nicht tun und nüch­tern blei­ben und uns vor jeg­li­cher Hys­te­rie hü­ten. Es hat ja kei­nen Sinn, sich selbst, an­de­re und Gott be­trü­gen zu wol­len, weil Glau­be und Le­ben an­ders ver­lau­fen als ge­dacht und be­haup­tet. Wer prak­ti­zier­te Ehr­lich­keit und De­mut nach­le­sen möch­te, kann das mit der 1. Le­sung von heu­te tun.
Da heißt es: „Wie ein Un­rei­ner sind wir al­le ge­wor­den, un­se­re gan­ze Ge­rech­tig­keit ist wie ein be­fleck­tes Kleid. Wie Laub sind wir al­le ver­welkt, un­se­re Schuld trägt uns fort wie der Wind.“(Jes 64,5)
Das ha­be ich in ei­nem Hir­ten­wort noch nie ge­le­sen und ge­hört.
Je­sa­ja er­in­nert in die­sem Text dar­an, dass Gott doch un­ser Va­ter ist, lan­ge be­vor Je­sus be­vor­zugt die­se An­re­de für Gott ver­wen­det. Er will sa­gen: „Gott, du bist doch un­se­re Fa­mi­lie! Du kannst uns doch jetzt nicht hän­gen las­sen!“ Schon das Aus­spre­chen die­ser in­ne­ren Not ist ein the­ra­peu­ti­scher An­satz, um mit ei­ner Kri­se um­zu­ge­hen.
Aber jetzt kommt zum En­de die­ser Ge­dan­ken noch ein po­si­ti­ver hin­zu. Denn es ist ja ein Un­ter­schied, ob ich ei­nen Rich­ter oder Mo­ral­apos­tel er­war­te oder ei­nen Ge­lieb­ten. Ge­ra­de auch die Er­war­tung von et­was Schö­nem kann mich wach sein las­sen und nicht nur die Angst, et­was zu ver­pas­sen oder zu ver­feh­len.
Viel­leicht war­tet ja auch Gott dar­auf, dass wir ein angst­be­setz­tes Got­tes­bild ge­gen ein heil­sa­mes und hei­len­des ein­tau­schen. Denn nicht nur wir, auch Gott fei­ert Ad­vent und war­tet auf un­se­re Lie­be, un­ser Ver­trau­en und un­se­ren Dank. „Dank“ für Glück, Freu­de, Lie­be und Freund­schaft. „Ver­trau­en“ aber ge­ra­de dann, wenn es uns das Le­ben schwer macht.
Wenn gu­te Freun­de uns in der Not nicht ver­las­sen, wie we­nig erst Gott sel­ber?! Ge­nau die­ses Ver­trau­en mö­ge uns zur Er­fah­rung wer­den und das fei­ern wir heu­te am 1. Ad­vent. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)