Fest der Hei­li­gen Fa­mi­lie 2021 (26.12.)

(1 Sam 1, 20–22.24–28; Kol 3, 12–21; Lk 2, 41–52)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
„Herr, un­ser Gott, in der Hei­li­gen Fa­mi­lie hast du uns ein leuch­ten­des Vor­bild ge­schenkt“, so heißt es am An­fang des Ta­ges­ge­be­tes zum heu­ti­gen Fest. Mit „Hei­li­ger Fa­mi­lie“ meint man Ma­ria, Jo­sef und Je­sus. Aber was ist bei die­ser Fa­mi­lie ei­gent­lich das „leuch­ten­de Vor­bild“? Nur die Evan­ge­lis­ten Mat­thä­us und Lu­kas er­zäh­len so et­was wie ei­ne Fa­mi­li­en­ge­schich­te, ei­ne Kind­heits­ge­schich­te Je­su. Al­ler­dings sind sie theo­lo­gisch kon­stru­iert und kein Rück­blick auf die his­to­ri­sche Fa­mi­lie, in die Je­sus hin­ein­ge­bo­ren wur­de. Denn von die­ser wis­sen wir so gut wie gar nix. Wir müs­sen uns al­so auf das be­schrän­ken, was uns im Zwei­ten Tes­ta­ment über­lie­fert ist. Na­tür­lich möch­te ich mich da­bei nicht nur auf das be­schrän­ken, was auch in die­ser Fa­mi­lie pro­ble­ma­tisch, schwie­rig und schmerz­voll war. Dar­auf will sich kei­ne Fa­mi­lie re­du­zie­ren las­sen. Ver­mut­lich war auch die Hei­li­ge Fa­mi­lie ei­ne ganz nor­ma­le Fa­mi­lie ih­rer Zeit. Und na­tür­lich wol­len wir „Fa­mi­lie“ auch nicht nur auf Va­ter, Mut­ter, Kind re­du­zie­ren, schon gar nicht heu­te, wo es so vie­le, un­ter­schied­li­che For­men von ge­mein­sa­men Le­ben und Fa­mi­lie gibt. Laut Um­fra­gen ist den meis­ten Men­schen Fa­mi­lie sehr wich­tig, nicht die Form, son­dern das Ein­ge­bun­den­sein in ver­bind­li­che und lie­be­vol­le Be­zie­hun­gen. Auch da muss man das nicht auf die sog. „Kern­fa­mi­lie“ re­du­zie­ren. Denn „Fa­mi­lie“ kann ein Be­zie­hungs­netz sein, das nicht pri­mär von Bluts­ver­wand­ten, son­dern von Geist­ver­wand­ten ge­knüpft wird. Laut Zwei­ten Tes­ta­ment hat Je­sus eher die­se Form von Fa­mi­lie be­vor­zugt, weil ihn sei­ne Bluts­fa­mi­lie eher nicht ver­stan­den und so­gar für ver­rückt ge­hal­ten hat (vgl. Mk 3, 31ff und Mk 3, 21). Die Qua­li­tät ei­ner Fa­mi­lie und Ge­mein­schaft wird ja nicht durch die Form, son­dern durch ei­ne lie­be­vol­le Grund­hal­tung er­reicht. Die­se macht je­de Ge­mein­schaft und Fa­mi­lie hei­lig, weil Lie­be das wich­tigs­te Kri­te­ri­um für Got­tes Ge­gen­wart ist. Da­bei ist Lie­be nicht nur ein schö­nes Ge­fühl, nicht nur glück­li­che Ek­sta­se, son­dern, wie wir al­le wis­sen, auch le­bens­lan­ge und nicht sel­ten schmerz­vol­le Ver­ant­wor­tung für­ein­an­der und ein Mit­lei­den und Mit­freu­en. El­tern wis­sen, dass sie mit dem Er­wach­sen­wer­den ih­rer Kin­der die Ver­ant­wor­tung für sie nicht los sind. Si­cher heißt ih­re Ver­ant­wor­tung dann auch los- und frei­las­sen, was nie so leicht ge­lebt, wie ge­sagt und ver­spro­chen ist. Aber im güns­tigs­ten Fall kön­nen sich Kin­der im­mer auf die Zu­nei­gung ih­rer El­tern ver­las­sen. Und das gilt für je­de Form von Fa­mi­lie und Ge­mein­schaft. Dar­um bit­tet das Ta­ges­ge­bet zu Recht um die Gna­de!, dass Fa­mi­li­en „ein­an­der in der Lie­be ver­bun­den blei­ben“, auch und ge­ra­de dann, wenn We­ge sich tren­nen.
Wenn es am En­de des Ta­ges­ge­be­tes heißt: „Füh­re uns al­le zur ewi­gen Ge­mein­schaft in dei­nem Va­ter­haus“, dann müs­sen wir uns al­le, kirch­lich, re­li­gi­ös oder nicht, als ei­ne gro­ße Got­tes­fa­mi­lie be­grei­fen. Denn Gott sel­ber ist ja ei­ne un­end­li­che Lie­bes­fa­mi­lie, die über­all da auf­leuch­tet und an­we­send ist, wo Men­schen so et­was wie „Fa­mi­lie“ zu le­ben und zu ge­ben ver­su­chen. Ich wün­sche uns al­len „Fa­mi­lie“, die uns trägt, die wir mit­tra­gen, die hei­lig ist, die gut­tut und uns in un­se­rem Mensch­sein wach­sen und rei­fen lässt. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)