(Gen 15, 1–6 / 21, 1–3; Hebr 11, 8–19; Lk 2, 22–40)
Liebe Schwestern und Brüder,
das Wort „Familie“ ist ein Synonym für die Sehnsucht des Menschen, ein Zuhause zu haben, nicht nur in Form von vier Wänden, sondern in Form von Herzen, in denen man zu Hause sein darf. Auch sind die Formen von Familie sehr bunt und vielfältig.
Wenn Abram in der 1. Lesung gesagt und verheißen wird: „ Sieh doch zum Himmel hinaus und zähle die Sterne, wenn du sie zählen kannst! So zahlreich werden deine Nachkommen sein“ (Gen 15,5), dann ist das eine Familie, die sich auf das gründet, was von Abram wenig später gesagt wird: „Und er glaubte dem Herrn und das rechnete der Herr ihm als Gerechtigkeit an“ (V6). Der Glaube Abrams gründet sich nicht auf ein dogmatisches Lehrbuch, sondern er ist eine geradezu verrückte Haltung des Vertrauens, das sich nicht auf Vorstellungskraft, sondern auf eine ebenso verrückte Verheißung Gottes stützt. Hier geht es also um eine Glaubensfamilie, die sich nicht über Religion und Glaubenssätze, sondern über Vertrauen definiert. Und da scheint ja zumindest Gott sehr optimistisch zu sein. Aber letztlich lebt doch jeder Mensch von Vertrauen, worauf er das auch immer beziehen mag.
Und schließlich ist dazu keine Religionszugehörigkeit nötig, es sei denn, sie verhilft zu diesem Vertrauen, stärkt und fördert es.
Hanna und Simeon aus dem Evangelium sind wie Abram Vorbilder dieses von Gott ersehnten Glaubens. Denn sie haben das Vertrauen selbst dann nicht aufgegeben, wo, rein menschlich betrachtet, eigentlich kaum noch etwas zu erhoffen war. Das muss man erst einmal nachmachen, mit einer Verheißung zu leben und deren erhoffte Erfüllung ein Leben lang durchzuhalten, ohne dass das Verheißene Anstalten macht, in Erfüllung zu gehen. Diese Art des Glaubens, des nicht mehr begründbaren Vertrauens, ist bewundernswert, gerade angesichts von sog. „Realitäten“, die uns oft anderes lehren.
Diese beiden vorbildlichen Senioren werden plötzlich geradezu zu Oma und Opa der Familie Jesu, die Jesus später ohnehin immer größer sah als nur seine Blutsfamilie, die ihn sogar für verrückt erklärte (z.B. Mk 3, 21), weil er sich nicht in bloße Blutsfamilie einsperren ließ. Wie ließ er diesen ausrichten, als man ihn herausholen wollte aus seinem, neuen Beziehungsnetz? „Wer ist meine Mutter und wer sind meine Schwestern und Brüder? Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: das hier sind meine Schwestern und Brüder. Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter“ (Mk 3, 31–35).
„Wer den Willen Gottes tut“, bedeutet, dass zum Vertrauen die Liebe gehört. Denn der Wille Gottes, so wie ihn Jesus ausgelegt hat, ist der Geist der Liebe. Zur Familie Gottes also gehören nicht zuerst die, die in einer Religion organisiert sind, sondern die, die versuchen, wirklich aus Glaube und Liebe zu leben. Diese alle gehören heute zur „Heiligen Familie“.
Mögen sie sich finden und gegenseitig stützen und einfach nur dankbar sein, zu solch‘ einer Heiligen Familie gehören zu dürfen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)