(2 Petr 1, 16–19; Mt 17, 1–9)
Liebe Schwestern und Brüder,
wir dürfen die Verklärungsgeschichte nicht lesen wie einen historischen Bericht. Die Evangelisten schrieben ihre Evangelien auch nicht für eine weltweite Christenheit, sondern für jene Gemeinden, in denen sie lebten. Vor allem aber sollten Jesus, seine Worte und Taten, nicht vergessen werden. Insofern sind die Evangelien ein Wunder des Heiligen Geistes, der sozusagen in tiefgründigen Geschichten deutlich machen möchte, wer dieser Jesus war und für uns ist.
Ob man Jesus zu seinen Lebzeiten wirklich schon so wahrgenommen hat, sei dahingestellt. Auf jedem Fall war er für viele jemand, der dem Herzen Gottes besonders nahe stand. Die Verklärungsgeschichte unterstreicht das nochmal, besonders im Evangelium vor der Passionsgeschichte Jesu, die ja für viele eine Katastrophe war.
Im Grunde sehen wir im Berg der Verklärung auch unsere eigene Zukunft bei und mit Gott, in der jeder von uns hineinverwandelt wird in das ewige Licht der Unendlichkeit Gottes. Aber warum erscheinen noch Mose und Elija? Oft wird gesagt und geschrieben, dass sie das Gesetz und die Propheten repräsentieren, in denen Jesus sozusagen zur Erfüllung kommt. Aber warum sollen Mose und Elija ausgerechnet und nur für Gesetz und Propheten stehen? Dies ist genauso kurz gegriffen und einseitig beschrieben, wie man Jesus immer nur auf das Kreuz reduziert. Stehen Mose und Elija nicht vielmehr für besondere Gotteserfahrungen?
Mose ist es doch, der im brennenden Dornbusch „Jahwe“ erfährt, den „ICH BIN DA“, der nicht zuerst Gesetze übergibt und Gesetzesgehorsam verlangt, sondern irdische Befreiung aus aller und jeglicher Art von Sklavereien und Unterdrückung will. Gott will als zum Leben Befreiender verstanden und geliebt werden, hier und in alle Ewigkeit.
Elijas Gotteserfahrung am Berg Horeb lässt einen Gott aufscheinen, der nicht gewaltsam, beängstigend und spektakulär daherkommt, sondern in einem sanften, leisen Säuseln, das geradezu zärtlich erscheint. Nicht der Kampf gegen andere Religionen ist Gottes Sache, sondern die Botschaft seiner Zärtlichkeit und eines zärtlicheren Miteinanders, das zu allen Zeiten dringend notwendig und not-wendend ist.
Ist dieser Jesus nicht genau die personifizierte Bestätigung dieser Gotteserfahrungen, mit seiner Botschaft, seinem heilsamen Leben, seiner Liebe und dem Festhalten an ihr bis zum Tod am Kreuz? Diese Botschaften gehören tatsächlich nicht nur in Hütten, Tempeln, Kirchen und andere Gotteshäuser. Sie sollen in die Herzen der Menschen und sie zum Leben und zur Liebe befreien.
In der Verklärungsgeschichte werden wir weiterhin radikal auf Jesus verwiesen. Vor allem auf ihn sollen wir hören, auf das, was er gesagt und vor allem heilsam für Menschen getan hat. Damit bestätigt er Mose und Elija in ihren Gotteserfahrungen. Auch uns will Jesus im Tiefsten berühren, uns aufrichten und zusagen, was er immer zusagen möchte: „Steht auf und fürchtet euch nicht!“ (Mt 17,7)
Wie heißt es dann weiter? „Und als sie aufblickten, sahen sie niemanden außer Jesus allein“ (V8). Genau darauf gründet sich im Letzten unser Glaube und Halt, ob mit oder ohne Kirche. In jedem Fall ist seine Botschaft eine Botschaft befreiender Nähe und einer Gottesbeziehung, dessen Fundament vor allem Vertrauen und Zärtlichkeit sein sollen.
Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)