Grün­don­ners­tag 2023

(Hos 2, 16b.17b.21–22; 1 Kor 11, 23–26; Joh 13, 1–15)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
die Deu­tung des heu­ti­gen Ta­ges, wie auch der kom­men­den Ta­ge, steht heu­te im Evan­ge­li­um, wenn es da in Vers 1 heißt: „Da er die Sei­nen lieb­te, die in der Welt wa­ren, lieb­te er sie bis zur Voll­endung!“ Wir spre­chen heu­te vom sog. „Letz­ten Abend­mahl“, weil es eben das letz­te von vie­len Mah­len war, die Je­sus nicht vor al­lem mit hoch­ran­gi­gen und aus­er­wähl­ten Apos­teln, son­dern mit Zöll­nern und Sün­dern, mit nor­ma­len Frau­en und Män­nern, ge­hal­ten hat. Es geht heu­te auch nicht et­wa um die Ein­set­zung der Eu­cha­ris­tie, nicht um die Fuß­wa­schung an sich, die heu­te ef­fekt­voll in vie­len Kir­chen nach­ge­spielt wird. Nein, dar­um geht es nicht zu­erst. Es geht zu­erst um IHN und sei­ne Geis­tes­hal­tung, die sein gan­zes ir­di­sches Da­sein, Ver­kün­den und Han­deln ge­prägt hat. Die Adres­sa­ten sind eben auch nicht zu­erst wie­der ir­gend­wie Aus­er­wähl­te, nicht je­ne, die es schein­bar ver­dient ha­ben, son­dern je­ne, die ge­wöhn­lich aus „hei­li­gen“ Ge­mein­schaf­ten ex­kom­mu­ni­ziert wer­den, weil sie mo­ra­lisch und re­li­gi­ös nicht trag­bar sind. Das ist doch an­stö­ßig bis heu­te.
Nicht erst am Grün­don­ners­tag wird Je­sus zum Brot in sei­nen Wor­ten und Ta­ten für vie­le, kann er sa­gen, dass er wie Brot für uns sein möch­te, ein Le­bens­mit­tel im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes, und zwar nicht als Be­loh­nung für sog. „Ge­rech­te“, für die, die sich wür­dig füh­len dür­fen, son­dern als Kraft­quell für al­le, die un­ter­wegs kraft­los und mü­de ge­wor­den sind.
Auch im Kelch ist nicht Blut, son­dern Wein, der für Le­bens­freu­de steht, die er vie­len Men­schen in sei­nen heil­sa­men Be­geg­nun­gen wie­der­ge­schenkt hat. Das ist der Kelch des neu­en Bun­des, den er mit sei­nem Blut be­zeu­gen wird, wie wir es heu­te bei Pau­lus ge­hört ha­ben.
Die miss­ver­ständ­li­chen Be­grif­fe „Fleisch und Blut“ ste­hen im Jo­han­nes­evan­ge­li­um für das, wenn wir aus­drü­cken wol­len, dass hier ein Mensch aus Fleisch und Blut han­delt. Sie be­deu­ten im­mer das Mensch­sein und die Mensch­lich­keit Je­su.
Mit Si­cher­heit hat­te Je­sus auch bei der Fuß­wa­schung kei­ne Hier­ar­chie, kei­ne hei­li­ge Herr­schaft, vor Au­gen, son­dern ei­ne neue Art von Mit­ein­an­der, die nicht von Hau­en und Ste­chen, nicht von Macht­kämp­fen und El­len­bo­gen­men­ta­li­tä­ten, ge­prägt ist, son­dern von dem Mut, nicht ein­an­der die Köp­fe, son­dern in al­ler De­mut die Fü­ße zu wa­schen. Das war nicht zum blo­ßen Nach­spie­len ge­dacht, nicht zum Be­wun­dern des­sen, dass ein „Herr“, ein Wich­ti­ger und groß Ge­glaub­ter, sich vor ei­nem Klei­nen, ei­nem an­geb­lich Un­wich­ti­gen, beugt. Wenn es nicht wirk­lich ei­ne all­täg­lich ge­leb­te Geis­tes­hal­tung ist, und zwar Kin­dern, Ju­gend­li­chen, Frau­en, Män­nern und al­ten Men­schen ge­gen­über, dann soll­te man das Nach­spie­len lie­ber las­sen. Fü­ße wa­schen be­deu­tet, Le­bens­we­ge an­zu­er­ken­nen, die meis­tens nicht ge­ra­de sind, be­deu­tet ei­ne Hal­tung ein­zu­neh­men, die nicht hoch­nä­sig und über­le­gen von oben auf an­de­re her­ab­blickt, son­dern die je­de Art von Ras­sis­mus, auch re­li­giö­sen, ve­he­ment ab­lehnt.
Die­se wun­der­ba­re Hal­tung Je­su fei­ern wir heu­te, sie hat er täg­lich ge­lebt.
In ihr er­bli­cken wir auch das Ant­litz ei­nes Got­tes, des­sen lie­be­vol­le Nä­he so oft in Theo­rie und Pra­xis miss­braucht wird. Hö­ren wir auf, aus Gott ein Mons­ter zu ma­chen, der sei­nen Sohn we­gen un­se­rer Sün­den ster­ben lässt, um Ge­nug­tu­ung zu er­lan­gen. Da­mit kann man Men­schen wun­der­bar be­las­ten und un­ter­drü­cken.
Je­sus starb um der Lie­be wil­len, um der Lie­be zu Gott und der Men­schen, ja al­ler sei­ner Ge­schöp­fe, wil­len. Das mö­ge uns mit de­mü­ti­ger Dank­bar­keit er­fül­len und mit Le­bens­freu­de und ‑kraft auf all‘ un­se­ren Le­bens­we­gen. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)