Hoch­fest Chris­ti Him­mel­fahrt 2022

(Apg 1, 1–11; Eph 1, 17–23; Lk 24, 46–53)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
ehr­lich ge­sagt, mag ich kei­ne Ab­schie­de. Aber ich weiß, dass sie zum Le­ben ge­hö­ren, dass man glück­li­che Mo­men­te nicht fest­hal­ten kann, wie ei­gent­lich nichts auf die­ser Welt, dass das Nicht­ge­hen­las­sen auch ein Zei­chen man­geln­der Lie­be sein kann. Schließ­lich geht Je­sus ja zu dem, dem sei­ne gan­ze Lie­be ge­hört, von dem er und in des­sen Na­men er ge­spro­chen und vor al­lem ge­han­delt hat. Wenn uns al­so Him­mel­fahrt et­was lehrt, dann zu­nächst ein­mal das Los­las­sen, und zwar nicht nur im Hin­blick auf Men­schen, son­dern auch im Hin­blick auf Ein­stel­lun­gen, Lieb­ge­wor­de­nes, er­starr­te und le­bens­hin­der­li­che Struk­tu­ren etc. Los­las­sen hat dann mit ei­nem Zu­ge­winn an Frei­heit zu tun, in­ner­lich wie äu­ßer­lich, für mich, wie für an­de­re.
Ab­schie­de sind schwer, man mag sie nicht mö­gen. Aber wenn sie das Le­ben ein­for­dert, soll­ten wir ver­su­chen, zu­zu­stim­men.
Ein Zwei­tes fiel mir zu den bi­bli­schen Tex­ten auf. Es geht nicht nur um Ab­schie­de, son­dern auch um das War­ten. Fast er­in­nert es uns an den Ad­vent, der uns deut­lich macht, wie wich­tig für un­ser Le­ben das War­ten kön­nen ist. Auch das ist nicht un­be­dingt ein­fach und fällt vie­len Men­schen schwer.
Je­sus sel­ber sagt uns heu­te, dass wir war­ten sol­len. Wir sol­len war­ten auf den Hei­li­gen Geist, auf die „Kraft aus der Hö­he“, wie es im Evan­ge­li­um hieß (Lk 24, 49). Die Zeit zwi­schen Him­mel­fahrt und Pfings­ten ist ja ei­ne aus­drück­li­che Zeit des Bit­tens um den Hei­li­gen Geist, ob­wohl in den Tex­ten heu­te nichts da­von steht, dass wir bit­ten sol­len. Je­sus sagt nur, dass wir war­ten und blei­ben sol­len, bis wir mit der Kraft aus der Hö­he er­füllt wer­den. Das War­ten und Blei­ben fällt schwer, wenn die ei­ge­ne Kraft aus­ge­gan­gen ist, wenn man ge­ra­de drin­gend die­se Kraft von oben braucht und sie ir­gend­wie auf sich war­ten lässt. Sei­en wir über­zeugt da­von, dass Er uns die­se Kraft selbst­ver­ständ­lich und un­be­dingt schen­ken will. Wir sind ja schon von ihm ge­seg­ne­te. Und trotz Ab­schied und Los­las­sen „kehr­ten die Jün­ger und Jün­ge­rin­nen in gro­ßer Freu­de nach Je­ru­sa­lem zu­rück“ (V52). Sein Se­gen wird auch uns er­mu­ti­gen, Ab­schie­de zu­zu­las­sen, zu blei­ben und zu war­ten, auch wenn die Kraft aus der Hö­he noch nicht an­ge­kom­men ist. Das nennt man auch Glau­ben oder Ver­trau­en trotz al­le­dem. Aber ei­gent­lich ist auch das schon ein Wun­der des Him­mels, der nicht oben oder un­ten, son­dern vor al­lem in uns sel­ber ist. Mö­ge uns die­se Er­fah­rung ge­schenkt sein. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)