(Jes 60, 1–6; Eph 3, 2–3a.5–6; Mt 2, 1–12)
Liebe Schwestern und Brüder,
bei Jesaja haben wir gehört, dass die Herrlichkeit des Herrn strahlend über Jerusalem aufgeht, dass seine Herrlichkeit über Jerusalem erscheint. Vielleicht kommt von daher der Name des heutigen Festes. „Erscheinen“ und „strahlen“ sind Worte, die wir eher auf die Sonne beziehen oder eben auch auf Sterne. Der Morgen- oder Abendstern erscheint, die Sonne strahlt oder es gibt einen strahlenden Sternenhimmel. Den Sterndeutern aus dem Osten ist auch ein Stern aufgegangen bzw. erschienen, der sie am Ende zur Krippe in Bethlehem brachte. Bei Jesaja wandern Nationen zu dem Licht und Könige zu dem strahlenden Glanz Jerusalems. Es geht nicht zuerst um Jerusalem, es geht nicht um eine bestimmte Religion, es geht um das Geheimnis der Liebe, das allen Menschen als Stern in ihrem Leben aufleuchtet. „Steh auf, werde Licht, denn es kommt dein Licht!“ (Jes 60, 1).
Es wird auch nicht berichtet, dass die Sterndeuter ihre Religion gewechselt hätten, nachdem sie freudig das Kind gefunden hatten. Sie gingen ganz erfüllt, anders zwar, in ihre Heimat zurück. Irgendwie erwarten wir schon, wenn Leute zu Jesus finden, dass sie dann auch in die Kirche eintreten. Aber das müssen sie nicht. Bis heute glauben Christen, dass man ohne die Taufe nicht zu Gott finden kann, geschweige denn in den Himmel kommt. Die Sterndeuter zeigen uns, dass das durchaus geht. Vor allem sollten jene Christen, die diese fragwürdige Behauptung nachsprechen, sich bewusst werden, ob sie nicht nur eine fragwürdige Behauptung, sondern auch ein äußerst fragwürdiges Gottesbild haben, das nicht nur Menschen, sondern vor allem Gottes Geheimnis und Liebe verletzt. Menschen finden zum Geheimnis Gottes, die noch offen sind und bereit, aufzubrechen, sich zu bewegen, innerlich wie äußerlich, unterwegs zu sein. Menschen finden zum Geheimnis, die so demütig sind, dass sie vor einem Kind ihre Knie beugen und nicht zuerst vor denen, die das für sich erwarten. Menschen leben aus diesem Geheimnis, die Menschsein achten, verletzliche Geschöpflichkeit ebenso, und die das Große im Kleinen sehen. Diese Geisteshaltung verbindet Menschen untereinander, egal wo sie geistig beheimatet sind. Sie muss nicht in eine Kirche oder Religion führen. Denn es geht immer zuerst um das Geheimnis selbst, das da aufleuchtet und erscheint, wo es will und wie es will. Schade, dass so viele Gottes Gegenwart nur in wachsenden Mitgliederzahlen erkennen, an der Macht, die man als Religion in einer Gesellschaft hat und nicht in den vielen Sterndeutern und ‑suchern, die auch ohne „richtige Religion oder Konfession“ zum Gotteskind finden. Kein Wunder, dass sie auf anderen Wegen heim in ihr Land ziehen. Denn auf ausgetretenen Pfaden ist Gott wohl selten zu finden.
Mögen die Sterndeuter vor allem uns lehren, dass alle Menschen Gottes Kinder sind und ihn auch ohne uns finden und verehren können. Das sollte uns froh und dankbar machen und mit Wertschätzung jenen Menschen gegenüber erfüllen, die auf anderen als unseren Wegen zu Gott finden oder unterwegs sind. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)