Hoch­fest Er­schei­nung des Herrn (06.01.2022)

(Jes 60, 1–6; Eph 3, 2–3a.5–6; Mt 2, 1–12)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
bei Je­sa­ja ha­ben wir ge­hört, dass die Herr­lich­keit des Herrn strah­lend über Je­ru­sa­lem auf­geht, dass sei­ne Herr­lich­keit über Je­ru­sa­lem er­scheint. Viel­leicht kommt von da­her der Na­me des heu­ti­gen Fes­tes. „Er­schei­nen“ und „strah­len“ sind Wor­te, die wir eher auf die Son­ne be­zie­hen oder eben auch auf Ster­ne. Der Mor­gen- oder Abend­stern er­scheint, die Son­ne strahlt oder es gibt ei­nen strah­len­den Ster­nen­him­mel. Den Stern­deu­tern aus dem Os­ten ist auch ein Stern auf­ge­gan­gen bzw. er­schie­nen, der sie am En­de zur Krip­pe in Beth­le­hem brach­te. Bei Je­sa­ja wan­dern Na­tio­nen zu dem Licht und Kö­ni­ge zu dem strah­len­den Glanz Je­ru­sa­lems. Es geht nicht zu­erst um Je­ru­sa­lem, es geht nicht um ei­ne be­stimm­te Re­li­gi­on, es geht um das Ge­heim­nis der Lie­be, das al­len Men­schen als Stern in ih­rem Le­ben auf­leuch­tet. „Steh auf, wer­de Licht, denn es kommt dein Licht!“ (Jes 60, 1).
Es wird auch nicht be­rich­tet, dass die Stern­deu­ter ih­re Re­li­gi­on ge­wech­selt hät­ten, nach­dem sie freu­dig das Kind ge­fun­den hat­ten. Sie gin­gen ganz er­füllt, an­ders zwar, in ih­re Hei­mat zu­rück. Ir­gend­wie er­war­ten wir schon, wenn Leu­te zu Je­sus fin­den, dass sie dann auch in die Kir­che ein­tre­ten. Aber das müs­sen sie nicht. Bis heu­te glau­ben Chris­ten, dass man oh­ne die Tau­fe nicht zu Gott fin­den kann, ge­schwei­ge denn in den Him­mel kommt. Die Stern­deu­ter zei­gen uns, dass das durch­aus geht. Vor al­lem soll­ten je­ne Chris­ten, die die­se frag­wür­di­ge Be­haup­tung nach­spre­chen, sich be­wusst wer­den, ob sie nicht nur ei­ne frag­wür­di­ge Be­haup­tung, son­dern auch ein äu­ßerst frag­wür­di­ges Got­tes­bild ha­ben, das nicht nur Men­schen, son­dern vor al­lem Got­tes Ge­heim­nis und Lie­be ver­letzt. Men­schen fin­den zum Ge­heim­nis Got­tes, die noch of­fen sind und be­reit, auf­zu­bre­chen, sich zu be­we­gen, in­ner­lich wie äu­ßer­lich, un­ter­wegs zu sein. Men­schen fin­den zum Ge­heim­nis, die so de­mü­tig sind, dass sie vor ei­nem Kind ih­re Knie beu­gen und nicht zu­erst vor de­nen, die das für sich er­war­ten. Men­schen le­ben aus die­sem Ge­heim­nis, die Mensch­sein ach­ten, ver­letz­li­che Ge­schöpf­lich­keit eben­so, und die das Gro­ße im Klei­nen se­hen. Die­se Geis­tes­hal­tung ver­bin­det Men­schen un­ter­ein­an­der, egal wo sie geis­tig be­hei­ma­tet sind. Sie muss nicht in ei­ne Kir­che oder Re­li­gi­on füh­ren. Denn es geht im­mer zu­erst um das Ge­heim­nis selbst, das da auf­leuch­tet und er­scheint, wo es will und wie es will. Scha­de, dass so vie­le Got­tes Ge­gen­wart nur in wach­sen­den Mit­glie­der­zah­len er­ken­nen, an der Macht, die man als Re­li­gi­on in ei­ner Ge­sell­schaft hat und nicht in den vie­len Stern­deu­tern und ‑su­chern, die auch oh­ne „rich­ti­ge Re­li­gi­on oder Kon­fes­si­on“ zum Got­tes­kind fin­den. Kein Wun­der, dass sie auf an­de­ren We­gen heim in ihr Land zie­hen. Denn auf aus­ge­tre­te­nen Pfa­den ist Gott wohl sel­ten zu fin­den.
Mö­gen die Stern­deu­ter vor al­lem uns leh­ren, dass al­le Men­schen Got­tes Kin­der sind und ihn auch oh­ne uns fin­den und ver­eh­ren kön­nen. Das soll­te uns froh und dank­bar ma­chen und mit Wert­schät­zung je­nen Men­schen ge­gen­über er­fül­len, die auf an­de­ren als un­se­ren We­gen zu Gott fin­den oder un­ter­wegs sind. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)