Hoch­fest Un­se­rer Lie­ben Frau vom Ber­ge Kar­mel (16.07.2023)

(Hld 2, 8–14; Gal 4, 4–7; Lk 1, 39–56)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
un­se­re Or­dens­fa­mi­lie des Kar­mel fei­ert heu­te das „Hoch­fest Un­se­rer Lie­ben Frau vom Ber­ge Kar­mel“. Von An­fang an sa­hen die ers­ten Ein­sied­ler am Berg Kar­mel im 12./13. Jahr­hun­dert Ma­ria als ih­re Schwes­ter im Glau­ben und in ih­rer kon­tem­pla­ti­ven Le­bens­wei­se. Bi­bli­sche Hin­wei­se auf Ma­ria sind spär­lich. Die Evan­ge­lis­ten ha­ben kein ers­tes In­ter­es­se an his­to­ri­schen Fak­ten, viel­mehr an dem Men­schen und der Frau Ma­ria. Schon im 2. Tes­ta­ment wird Ma­ria zum Pro­to­typ ei­nes Men­schen, der of­fen ist für Gott und sei­nem Geist, der ei­ne Got­tes­schwan­ger­schaft in je­dem Men­schen be­wir­ken will. Al­les wirk­li­che Le­ben be­ginnt in uns sel­ber und ist im­mer ein Ge­schenk des gött­li­chen Geis­tes. Wer mit Gott schwan­ger geht, geht mit der Lie­be schwan­ger, die im­mer und zu je­der Zeit ge­bo­ren wer­den will.
Der Glau­be Ma­ri­ens ist nicht Ein­sicht, son­dern Zu­stim­mung zu Got­tes Ver­hei­ßun­gen, die oft al­les Be­grei­fen über­stei­gen. Die Lie­be zu Gott zeigt sich da, wo wir der Lie­be Got­tes kei­ne Gren­zen set­zen, wo wir ihm er­lau­ben, schein­bar Un­mög­li­ches zu tun. Ein Glau­be, der nur das Vor­stell­ba­re glaubt, ist eher man­gel­haft. Ma­ria glaubt be­din­gungs­los und wird be­din­gungs­los ge­liebt und geht mit die­ser Lie­be Got­tes schwan­ger.
Ih­re Ver­wand­te Eli­sa­beth teilt die­se Er­fah­rung mit Ma­ria, was die bei­den tie­fer ver­bin­det als al­le Bluts­ver­wandt­schaft. Bei­de sind se­lig, weil Gott Le­ben in Gang ge­setzt hat, das un­er­war­tet und un­vor­stell­bar war.
Das Ge­heim­nis Got­tes er­weist ge­ra­de auch in die­sen bei­den Frau­en als Lieb­ha­ber all‘ je­ner, die in der sog. „nor­ma­len Welt“ un­ter die Rä­der kom­men und fast im­mer die Leid­tra­gen­den von Fehl­ent­schei­dun­gen und Macht­gier der Mäch­ti­gen sind, in­ner­halb und au­ßer­halb von Re­li­gio­nen.
Ma­ria singt im Ma­gni­fi­kat von der Grö­ße ei­nes Got­tes, der auf der Sei­te der Klei­nen steht, der ir­di­sche Maß­stä­be auf den Kopf stellt und Le­ben je­nen schen­ken will, die es auf Er­den so oft ver­mis­sen. Im­mer aber soll al­ler Glau­be, al­le Re­li­gio­si­tät, zur Lie­be wer­den, die im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes Le­ben schenkt und er­mög­licht, Le­ben ge­biert und Le­ben be­schützt.
Ob die Kar­me­li­ten da­mals Ma­ria so ge­se­hen ha­ben, wie eben ge­schil­dert, sei da­hin­ge­stellt. Je­de Zeit und je­der Mensch in­ter­pre­tiert sich in Men­schen hin­ein, die ei­nem wich­tig sind und Ori­en­tie­rung ge­ben.
Wir Kar­me­li­ten je­den­falls se­hen Ma­ria als Hö­ren­de, als Nach­den­ken­de, als Stil­le, als Got­tof­fe­ne. Mehr auf die­sem Weg und auf die­se Wei­se wol­len wir mit dem schwan­ger ge­hen, was am En­de al­le, in wel­chen Le­bens­for­men auch im­mer, ge­bä­ren sol­len: näm­lich ein biss­chen Lie­be zu Gott, zu un­se­ren Mit­ge­schöp­fen und zu uns sel­ber als be­din­gungs­los und un­end­lich Ge­lieb­te.
Das je­den­falls ist in dem sicht­bar, spür­bar und er­fahr­bar ge­wor­den, den uns Ma­ria ge­bo­ren und ge­schenkt hat: Je­sus, un­ser Bru­der und Freund. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCD)