(Weish 12,13.16–19; Ps 86,5–6.9–10.15–16; Röm 8,26–27; Mt 13,24–43)
Liebe Gemeinde,
ich habe in den letzten Monaten, eigentlich seit Beginn der Corona-Einschränkungen, häufig Brötchen gebacken. Ich fand es spannend, unterschiedliche Rezepte auszuprobieren, mit den Zutaten zu experimentieren. Nur – den Teig gehen zu lassen, das fand ich erstmal lästig. Unterschiedliche Rezepte hatten da unterschiedliche Vorgaben, und ich habe mich erstmal auf die Rezepte konzentriert, die nur eine kurze Gehzeit vorsahen.
Und dann las ich in meinem Kalender zur Fastenzeit die Erinnerung eines Mannes, der in seiner Kindheit die Großmutter beim Brotbacken beobachtete – und an der immer gleichen Stelle sagte sie: Und jetzt kommt das wichtigste: „Nix, gehen lassen!“ Und genau wie ich fragte er sich, wie „Nix, gehen lassen!“, bei allen den Mühen um den Teig, das Wichtigste sein konnte.
Heute haben wir im Evangelium unter anderem das Gleichnis vom Sauerteig gehört, da fiel mir dieser Text wieder ein. Im biblischen Text wird ja von keinem normalen Brotbacken berichtet: Es geht hier um drei Sea Mehl. Die biblischen Quellen sind nicht eindeutig, welche Menge das genau umfasst, aber irgendwie zwischen 20 und 40 Kilogramm Mehl sollen das wohl sein — eine Menge, die wohl kaum für den täglichen Bedarf einer Familie gedacht ist. Die Hörer Jesu haben das verstanden und gemerkt: Hier geht’s um was Besonderes. Ein Earcatcher, würden wir heute sagen, der die Aufmerksamkeit fesseln soll.
Unter dieser Menge Mehl verbarg eine Frau Sauerteig – damit auch eine große Menge – und dieses Geschehen gleicht dem Himmelreich, dem Reich Gottes.
Ich lese da heraus: So wie der Sauerteig sich mit dem Mehl und den weiteren Zutaten verbindet, so dass er am Ende gar nicht mehr von dem anderen zu unterscheiden und zu erkennen ist, so ist es auch mit dem Reich Gottes: Man kann nicht einen festen Zeitpunkt benennen, ab dem das Reich Gottes da ist. Man kann auch nicht einen festen Ort benennen, an dem man das Reich Gottes treffen kann. Aber der Sauerteig hört nicht auf, auf den Teig einzuwirken, er schafft ständig etwas Neues, sorgt ständig für Veränderung.
Und die Frau? Ab einem gewissen Punkt kann Sie einfach nur noch warten. „Nix, gehen lassen!“ ist dann die Devise. Wachstum und Veränderungen kann man zwar fördern und unterstützen, aber man kann sie nicht machen.
Analog verhält es sich auch mit den anderen beiden Gleichnissen, die wir heute gehört haben: Das Senfkorn, das ein Mann sät und das zu einem großen Baum heranwächst, braucht die entsprechenden Bedingungen (ein Betonboden ist das genauso wenig wie ein Sumpfgebiet) – aber stimmen die Bedingungen, dann wächst er einfach aus sich heraus.
Und das Gleichnis vom Unkraut zwischen dem Weizen? Das Unkraut wird sogar genauer benannt: Es geht um Taumellolch, der dem Weizen sehr ähnlich sieht, aber ein starkes Nervengift enthalten kann. Aber Jesus weist darauf hin: Für den Prozess des Reiches Gottes in unserer Welt geht es nicht darum, auszureißen und zu trennen – sondern wachsen zu lassen. Also auch wieder: Geduld haben, nicht schnelle, vielleicht voreilige Entscheidungen treffen und nicht nur aus dem eigenen Blickwinkel entscheiden.
Was heißt das nun für uns? Die Hände in den Schoß legen und einfach abwarten? Nein, ich denke, es geht schon darum, auf unsere Art und Weise das Wachstum des Reiches Gottes zu begleiten und zu fördern – und immer wieder seine Spuren zu entdecken und darüber zu staunen.
Einen Tipp dazu gibt auch noch der heute gehörte Abschnitt aus dem Römerbrief: Wir dürfen vertrauen, dass wir mit unserer kleinen Kraft nicht alles schaffen müssen, sondern auf Gottes Geist vertrauen dürfen. Und auch unser Gebet darf davon geprägt sein, dass wir nicht viele Worte machen, seien es eigene, seien es überlieferte und von anderen formulierte – sondern dass wir in Stille Gott begegnen. Auch im Gebet kann also „Nix, gehen lassen“ ein gutes Leitmotiv sein – denn wenn wir alle unsere eigenen Wünsche und Anliegen beiseite schieben, dann kann Gottes Sauerteig auch in uns aufgehen.
Das wünsche ich Ihnen für diesen Tag und die Woche – und darüber hinaus: Dass Sie sich immer mal wieder sagen können: „Nix, gehen lassen“ und darin sich selber und Gott ganz nahe kommen.
Diakon Marc Teuber