(Apg 4, 32–35; 1 Joh 5, 1–6; Joh 20, 19–31)
Liebe Schwestern und Brüder,
am weißen Sonntag hören wir immer das Evangelium vom heiligen Thomas. Die Tradition hatte ihn ja zum „ungläubigen“ gemacht. Vielleicht, um von dem Unglauben der anderen abzulenken oder man hat einfach gedacht, dass ihn ja Jesus selber so genannt hatte, als er zu Thomas sagte: „Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig“ (Joh 20, 27). Nur wird dabei leider vergessen, dass ohne diese Zusage Jesu niemand glauben kann. Oder hatten die anderen Jünger von sich aus geglaubt? Sicher nicht!
Hinzu kommt, dass uns der heilige Thomas in dieser Hinsicht nicht nur sehr modern erscheint, sondern geradezu ein Vorbild dafür ist, dass Glauben eben nicht allein vom Hören kommt, sondern zu einer eigenen Erfahrung werden muss. Nur gehörter Glaube bleibt oft in den Ohren stecken und sinkt nicht bis zum Herzen, um es zu verwandeln bzw. verwandeln zu lassen. Auch, wenn in diesem Evangelium scheinbar nur Thomas berühren möchte, so möchte es vor allem Jesus selber. Denn das Berühren ist mehr als jemanden anzufassen. Wirkliche Berührung ist immer vor allem innerlich. Da möchte uns Jesus berühren, vor allem auch unsere eigenen Wunden, die uns das Leben schlug. Unsere Wunden sind oft Begegnungsorte mit dem Lebendigen. Da legt er sein Leben hinein, berührt die Wunden heilsam und zärtlich, wie jeder Liebende die des Geliebten. Wer liebt, bleibt nicht unverwundet. Wer liebt, sagt nicht umsonst: „ich kann dich gut leiden!“
Wir berühren uns also auch in und mit unseren Wunden und legen da österliches Licht hinein.
Der heilige Thomas wollte die Wunden berühren, weil sie Liebeszeichen waren und weil er auch in seinen eigenen Wunden das Wunder von Ostern erleben wollte. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)