(Jes 55, 1–11; Röm 6, 3–11; Mk 16, 1-8)
Liebe Schwestern und Brüder,
„da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemanden etwas davon, denn sie fürchteten sich sehr“ (Mk 16,8). Dieser Vers fehlt im offiziellen Lektionar und ich frage mich immer wieder, warum? Passt der Vers nicht in die gewollte Hallelujastimmung, die jetzt erwartet wird? Dabei ist doch ausgerechnet dieser Vers so menschlich sympathisch und zeigt, dass auch der Osterglaube etwas Dynamisches ist. Er ist eben nicht zweifel-los und verändert gleich alles automatisch in eine „null-problemo-Glaubenswelt“.
Ich weiß nicht, ob es überhaupt einen Osterglauben gibt, an dessen Anfang nicht auch ein Erschrecken steht und der mich immer wieder auch an den Anfang zurückkehren lässt.
Vielleicht beginnt ja der Osterglaube auch mit dem Erschrecken darüber, dass mir mit zunehmenden Alter bewusst wird, dass ich sterben muss. Vorher begeistern mich möglicherweise Glaubenssätze. Später spüre ich eine gewissen Glaubenszumutung. Ich spüre, dass mich nicht schöne Gedanken und Sätze tragen, sondern ein gewisses Gefühl des Getragenseins. Ostern ist die unendliche Zusage, dass wir in alle Ewigkeit unendlich Geliebte und Getragene sind, waren und sein werden. Da geht es nicht darum, sich irgendetwas vorstellen zu können. Da geht es um Vertrauen, das sich traut, ohne doppelten Boden und Sicherheitsgurte.
Diese Botschaft ist eine Hoffnung über den Tod hinaus. Aber sie soll jetzt schon verändernd tragen.
Wissen Sie, was Sterbende im Hospiz oft sagen, wenn sie an das denken sollen, was sie vielleicht versäumt haben? Da werden fünf Dinge genannt:
„1. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mir selbst treu zu bleiben, statt so zu leben, wie andere es von mir erwarten.
2. Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet.
3. Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
4. Ich wünschte, ich hätte den Kontakt zu meinen Freunden gehalten.
5. Ich wünschte, ich hätte mir mehr Freude gegönnt.“
(aus: Bronnie Ware, 5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen: Einsichten, die Ihr Leben verändern werden)
Diese fünf Dinge könnten mich jetzt schon erschrecken lassen, aber der Beginn von Ostern sein schon vor dem Sterben und dem Tod. Denn nichts Geringeres tat Jesus für viele Menschen in deren irdischen Leben. Auch er vertröstete nicht auf einen österlichen Himmel nach dem Tod. Er ließ Himmel schon jetzt an- und einbrechen, indem er Menschen heilte an Leib und Seele und dadurch erfahrbar machte, dass genauso Gott schon jetzt heilsam nahe ist und sein will.
Natürlich geht es auch um eine Hoffnung über den Tod hinaus. Aber sie soll jetzt schon Ostern beginnen lassen.
Das wünsche ich uns heute und in alles Erschrecken das Licht seiner heilsamen Gegenwart, damit am Ende unseres Lebens nicht zu viel „fünf Dinge“ bewusst werden, sondern vor allem ein österliches Vertrauen ist und bleibt. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)