Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Leserinnen und Leser!
Wie ich von Ostern predigen soll, habe ich mich schon lange vor Ostern gefragt. Es ist doch ein Unterschied, ob ich in Friedens- oder in Kriegssituationen, in gesunden oder in Coronazeiten, im Flüchtlingslager oder in einem wohlhabenden Land lebe. Immer und überall freilich gibt es „Nächte“, Nächte der Sorge und Angst, Nächte verlorener Liebe oder verlorener Hoffnungen, Nächte zusammengefallener Sicherheiten, Nächte entglittener, scheinbarer Selbstverständlichkeiten, Nächte des Schreckens, Nächte des Nichtverstehens und Nichtmehrweiterwissens.
Nächte müssen nicht unbedingt nur eine Katastrophe sein, obwohl sie es oft sind. In Nächten z.B. dürfen wir schlafen, in Nächten kommt der Tag zur Ruhe, in Nächten legt sich Stille um lärmgeplagte Ohren und Herzen. Liegt man wach und kann aus verschiedensten Gründen nicht schlafen, dann wird die Nacht lang und nimmt scheinbar kein Ende. Die Nächte haben also, wie so vieles, zwei oder mehrere Gesichter. Und nicht zu früh sollte man Halleluja singen, wo Nacht und Not noch angenommen, ausgehalten und, wenn möglich, überwunden werden müssen. Daran ändert auch das Wissen um Ostern nichts, auch das Hören davon alleine nicht.
Die Jüngerinnen und Jünger Jesu hatten in seinen Worten zwar davon gehört, verstanden es aber noch nicht, zum Glauben freilich fanden sie schon gar nicht.
Richtig mutig und tapfer waren Maria Magdalena, die andere Maria und die anderen Frauen. Sie hielten die schreckliche Nacht des Karfreitags bis zum bitteren Ende aus. Sie sahen ihre Liebe, ihren Geliebten und den Liebenden, die Liebe, qualvoll sterben. Etwas Schrecklicheres ist kaum vorstellbar. Die Nacht könnte nicht finsterer sein.
Niemand war Zeuge der Auferstehung, so auch nicht beim sog. „Urknall“. Aber das Beben war gewaltig, die Hintergrundstrahlung der österlichen Explosion strahlt bis heute. Es brach etwas auf, was endgültig begraben schien. Keine Rückkehr des Alten und Gewohnten, nirgendwo. Etwas unaussprechlich Neues, etwas, das überhaupt erst den Namen „Leben“ verdient, brach auf. Wie kann das sein? Wie kann es sein, dass das hoffnungsvolle und schwer enttäuschte Leben von Frauen und Männern plötzlich gänzlich auf den Kopf gestellt wurde? Aber, so muss man doch auch sagen: ist nicht jeder Morgen ein Ostermorgen? Ist nicht alles Leben ein unerklärliches Wunder? Möge Ostern zugleich ein Aufwachen dieser Erkenntnis sein! Möge diese Erkenntnis zu einer persönlichen Erfahrung werden, die nicht nur an ein „Leben danach“ glaubt, sondern das Leben, (nicht nur das eigene), über alles liebt, wertschätzt und systemrelevante Veränderungen auf den Weg bringt in Kirche und Gesellschaft! Ostern heißt: die Liebe hat recht, die Liebe bleibt, über den Tod hinaus, für immer und ewig. Sie ist die bleibende Hintergrundstrahlung des göttlichen Liebesurknalls von Anfang an bis in alle Ewigkeit, Alpha und Omega eben, wie es auf unseren Osterkerzen steht, wie es in allem und in allen verborgen eingeschrieben ist.
Maria Magdalena und die andere Maria sind Zeuginnen dafür, dass der Geliebte, dass die Liebe, lebt und sie berührt hat und ihnen „erschienen“ ist. Sie sind die Apostolinnen der Apostel, die ohnehin immer Mühe haben, der Liebe zu glauben und dem Leben, das sie erschafft.
Für uns Christen hat das Geheimnis der Liebe und des Lebens einen Namen: Jesus, der uns das Geheimnis des „Ich BIN DA“ heilsam erfahrbar und verkündet hat.
Auch das heutige Ostern lässt die Nächte nicht verschwinden. Aber es erleuchtet sie und schenkt Hoffnung und Kraft für JETZT und das DANACH.
Dieses Licht wünsche ich uns im Namen meiner Mitbrüder und des Homepage-Teams. Möge es uns verwandeln, damit es „morgen“ und „danach“ nicht einfach so weitergeht, wie bisher. Möge die österliche Hintergrundstrahlung unser Inneres und unser Leben erleuchten.
Gesegnete, hoffnungsvolle und frohe Ostern euch allen! AMEN!
Euer / Ihr
P. Thomas Röhr OCD
Karmel Birkenwerder