Os­ter­pre­digt 2022 (17.04.)

(Ex 3+4; 1 Kön 19, 1–16; Jes 55, 1–11; Röm 6, 3–11; Lk 24, 1–12)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
wenn ein Mensch ver­sucht, an das Ge­heim­nis Got­tes zu glau­ben, sich auf die­ses ein­zu­las­sen und es wirk­lich in das Le­ben ein­zu­las­sen, dann ist Os­tern so über­ra­schend nicht. Das Os­ter­wun­der be­ginnt ja nicht erst nach dem Tod, son­dern be­reits vor­her. Ist der Be­ginn des Le­bens, wo sich zwei win­zi­ge Zel­len um­ar­men und zu ei­nem ein­ma­li­gen We­sen ent­wi­ckeln, nicht ge­nau­so wun­der­bar, wie die Os­ter­bot­schaft? Ist nicht über­haupt un­se­re Er­de und die Ent­ste­hung des Le­bens auf ihr und in der Milch­stra­ße ein ein­zi­ges Wun­der? Um­so ver­wun­der­li­cher ist ja im­mer wie­der, wie wir Men­schen mit die­sem Wun­der­meer um­ge­hen! War­um ist das ei­gent­lich so? Ehr­lich ge­sagt, ver­ste­he ich es nicht. Die Iko­ne Got­tes, Je­sus ge­nannt, war nicht die Ant­wort auf al­le Fra­gen, wohl aber ei­ne Ant­wort auf die Fra­ge, was das tiefs­te We­sen Got­tes und un­se­res Uni­ver­sums aus­macht, trotz all‘ der Din­ge, die die­se Ant­wort im­mer wie­der in Fra­ge stel­len. Die­se Ant­wort lau­tet: das Ge­heim­nis Got­tes und des Uni­ver­sums ist Lie­be. So steht es aus­drück­lich im 1. Jo­han­nes­brief (1 Joh 4,8). Ge­nau das woll­ten auch die bi­bli­schen Tex­te von heu­te zum Aus­druck brin­gen, nicht nur das Os­ter­e­van­ge­li­um. Die Tex­te aus dem 1. Tes­ta­ment be­ken­nen ge­nau­so ei­nen Gott der Lie­be, ei­ner Lie­be, die nicht nur wort‑, son­dern ta­ten­reich ist. Gott ist es, der sich als lie­be­voll und be­frei­end in Er­fah­rung bringt. Er be­freit eben nicht nur nach­ös­ter­lich, nicht nur aus der Dun­kel­heit und Un­be­greif­lich­keit des To­des, er be­freit schon vor dem Tod zu mehr Le­ben und Lie­be. Das al­les sind Os­ter­er­fah­run­gen, die je­der von uns ma­chen kann, die je­der von uns er­war­ten darf, ja, an de­nen uns Gott er­laubt, mit­zu­wir­ken. Sol­che Be­frei­ungs­er­fah­run­gen und die Er­fah­rung von ge­schenk­ter, be­din­gungs­lo­ser Lie­be öff­nen in der Re­gel die Au­gen für ei­ne Lie­be, die al­lem zu­grun­de liegt. Sie ent­zün­det ei­nem selbst, trotz al­lem und in al­lem ge­ra­de­zu trot­zig, an die Lie­be zu glau­ben, Lich­ter der Lie­be zu ent­zün­den und sei­en sie noch so klein. Nur so kön­nen Stei­ne von Her­zen rol­len und aus ver­mau­er­ten Le­ben ver­schwin­den. Die Lie­be macht hell­hö­rig, auf die lei­se Stim­me der lie­be­vol­len Ge­gen­wart Got­tes zu lau­schen. Sie lässt uns um­keh­ren, das Le­ben, den Le­ben­den, nicht bei To­tem und bei To­ten zu su­chen.
Frei­lich gibt es im­mer ge­nug Leu­te, die das für rea­li­täts­frem­des Ge­schwätz hal­ten, die lie­be­vol­le Men­schen ein­schüch­tern mit ih­rer lau­ten und oft ge­walt­tä­ti­gen Ge­gen­wart. Das hat ja nicht zu­letzt je­ner er­fah­ren, des­sen Auf­er­we­ckung wir heu­te fei­ern. Die­se Auf­er­we­ckung be­stä­tigt von Gott her, dass die Lie­be recht hat, dass sie Wun­der wirkt vor und nach dem Tod. Dass sie in al­le Ewig­keit bleibt.
Sie be­en­det nicht al­le Dun­kel­heit, be­ant­wor­tet nicht al­le Fra­gen, be­en­det nicht al­le Sor­gen, Nö­te und Ängs­te. Aber sie macht das Herz wie­der ös­ter­li­cher, und zwar nicht nur das ei­ge­ne.
Was Erich Fried zur Lie­be schrieb, das gilt dar­um auch für Os­tern. Er soll dar­um das „Amen“ zu die­ser Os­ter­pre­digt sein:

Was es ist

Es ist Un­sinn
sagt die Ver­nunft
Es ist was es ist
sagt die Lie­be

Es ist Un­glück
sagt die Be­rech­nung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aus­sichts­los
sagt die Ein­sicht
Es ist was es ist
sagt die Lie­be

Es ist lä­cher­lich
sagt der Stolz
Es ist leicht­sin­nig
sagt die Vor­sicht
Es ist un­mög­lich
sagt die Er­fah­rung
Es ist was es ist

sagt die Liebe

(Erich Fried)

Im Na­men des Home­page-Teams Ih­nen und euch al­len ein ge­seg­ne­tes, licht- und lie­be­vol­les Osterfest!

(P. Tho­mas Röhr OCT)