Palm­sonn­tag 2023 (02.04.)

(Jes 50, 4–7; Phil 2, 6–11; Mt 21, 1–11)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
es ist be­wun­derns­wert, wie kon­se­quent Je­sus sei­nen Weg geht. Es ist be­wun­derns­wert, mit welch in­ner­li­cher Frei­heit er re­det und han­delt.
Für den Evan­ge­lis­ten Mat­thä­us er­füllt sich heu­te pro­phe­ti­sche Ver­hei­ßung, dass hier eben nicht ein üb­li­cher Kö­nig macht­voll da­her­kommt und sich fei­ern lässt, son­dern ein Mensch, der sanft­mü­tig ist und auf jeg­li­che Macht­de­mons­tra­ti­on ver­zich­tet. Auf ei­nem Esel zu rei­ten, lässt in den Au­gen de­rer, die auf Sta­tus­sym­bo­le jeg­li­cher Art Wert le­gen, sel­ber ei­nen Esel sein. Hält man nicht auch heu­te je­ne für ei­nen Esel, wenn sie nicht mit­ma­chen in den Wett­kämp­fen um noch grö­ße­re Sta­tus­sym­bo­le, die nicht mit­ma­chen, wo ab­wei­chen­de Mei­nun­gen und An­ders­sein nie­der­ge­brüllt wer­den, die nicht mit­rei­ten auf den ho­hen Rös­sern der Selbst­ge­fäl­lig­keit, Un­barm­her­zig­keit und le­bens­feind­li­cher Be­ses­sen­hei­ten? Das gilt na­tür­lich auch für die Re­li­gio­nen.
Viel­leicht wird sich man­cher beim ge­nau­en Zu­hö­ren des Evan­ge­li­ums auch ver­wun­dert ge­fragt ha­ben, wie Je­sus ei­gent­lich auf ei­ner Ese­lin und ei­nem Foh­len zu­gleich sit­zen soll? Das könn­te man ei­gent­lich gleich beim Über­set­zen so for­mu­lie­ren, wie es ur­sprüng­lich ge­meint war. Das „Und“ war näm­lich als Er­klä­rung ge­meint, näm­lich im Sin­ne von: und zwar auf ei­nem Foh­len. Al­so rei­tet Je­sus nicht ein­mal auf ei­nem aus­ge­wach­se­nen Esel, son­dern auf ei­nem Foh­len, auf dem wohl eher die Kin­der rei­ten.
Wort­los spricht Je­sus hier ganz pro­phe­tisch, wie we­nig al­le, auch re­li­giö­se, Macht­de­mons­tra­ti­on ir­gend­et­was mit sei­nem Gott zu tun hat. Und ver­ges­sen wir nicht: Je­sus war kom­plett ver­rückt gott­ver­liebt. Ei­gent­lich hat­te er doch nur ei­nen Wunsch, näm­lich den, al­le sei­ne Wor­te und Ta­ten als Hin­weis­schil­der zu se­hen, wie sein ge­lieb­ter Ab­ba-Gott tickt, fühlt und han­delt. Je­sus tritt so sehr hin­ter die­sem An­lie­gen zu­rück, dass er sel­ber fast da­hin­ter ver­schwin­det.
Seit Men­schen­ge­den­ken seh­nen sich die Men­schen nach ei­nem „Kö­nig“, nach ei­nem Hir­ten, nach ei­nem Ver­ant­wort­li­chen, der nicht hoch zu Ross und fern al­ler Men­schen­rea­li­tä­ten da­her­kommt, son­dern der ei­ner ist, des­sen Macht nicht ängs­tigt und nie­der­drückt, son­dern ent­ängs­ti­gend und auf­rich­tend ist, sanft­mü­tig, lie­be­voll und lie­bens­wert.
Es heißt im Evan­ge­li­um, dass die gan­ze Stadt er­beb­te, als Je­sus in Je­ru­sa­lem ein­zog (V10). Die Men­schen spür­ten wohl, wie sehr Je­sus, der Nicht­pries­ter und Hand­wer­ker, das ge­wohn­te, re­li­giö­se Sys­tem und Den­ken auf den Kopf stell­te, wie sehr das auch je­ne Exis­tenz­be­rech­ti­gun­gen in Fra­ge stell­te, die von die­sem Sys­tem leb­ten. Sie sind es ja dann auch, die in und mit Je­sus die­sen re­vo­lu­tio­nä­ren An­satz zu tö­ten ver­such­ten.
Das Schick­sal Je­su ist auch das Schick­sal Got­tes. Es er­klärt nicht al­les, räumt nicht al­le Zwei­fel aus, er­spart nicht Got­tes­fins­ter­nis­se und dunk­le Näch­te. Aber wir glau­ben und fei­ern ei­nen Gott, des­sen Lie­be nicht zeit­wei­lig, son­dern ewig ist und der uns an sein Herz drückt und sei­nen Arm um uns legt, be­son­ders da, wo es uns ge­ra­de so schwer ums Herz ist.
Da­für lasst uns jetzt, die kom­men­den Ta­ge und ei­gent­lich im­mer wie­der ein­fach nur „Dan­ke“ sa­gen. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)