(Jes 50, 4–7; Phil 2, 6–11; Mk 11, 1–10)
Liebe Schwestern und Brüder,
der Esel also, auf dem heute Jesus in Jerusalem einreitet, ist das Sakrament seiner Geisteshaltung. Im Namen Gottes unterstreicht Jesus einmal mehr, dass das Göttliche nicht gewaltsam daherkommt, dass es bescheiden ist und geradezu um eines bettelt, was es oft am wenigsten bekommt: nämlich liebevolle Dankbarkeit. Die Passion, die heute nicht zum Palmsonntag gehört, verweist auf die Gewalt, die leider von Menschen ausgehen kann und die sogar immer wieder religiös gerechtfertigt wird. Nicht Gott wollte den Tod seines Sohnes, nicht „die Juden“, wie es leider pauschal in der Johannespassion immer wieder heißt und antisemitische Vorurteile bestärken kann.
(Darum plädiere ich dafür, die Passion des jeweiligen Kirchenjahres am Karfreitag zu lesen und nicht einseitig immer nur die Johannespassion.)
Den Tod Jesu wollte die religiöse Elite , vollstreckt haben ihn die staatlichen Behörden. Aber deswegen kann die religiöse Elite nicht ihre Hände in Unschuld waschen und so tun, als hätten sie mit dem Tod Jesu nichts zu tun.
Aber zurück zum Sakrament des Esels. Auch er war freilich nicht das Symbol der Mächtigen, sondern eher der Machtlosen. Jesus kannte wohl die Stelle aus dem Buch Sacharja, wo es heißt: „Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Gerecht ist er und Rettung wurde ihm zuteil, demütig ist er und reitet auf einem Esel, ja, auf einem Esel, dem Jungen einer Eselin.“ (Sach 9,9)
Das sind prophetische Zeichen, die für sich sprechen. Und eigentlich passt der Jubel der Leute nicht dazu. Es kann sogar sein, dass sie das Sakrament des Esels gar nicht verstanden haben. Vermutlich geht es vielen, die Jesus nachfolgen wollen, bis heute nicht anders. Mit einem solch‘ demütigen und gewaltfreien Gott kann man doch keinen Staat, keine Religion und auch keine Kirche machen. Stattdessen pocht man übermäßig auf der Macht der Hölle und des Fegefeuers herum und missbraucht Gott zum Chef des Angstsystems. Erst unlängst musste ich eine ältere Frau beruhigen, die durch den Vortrag eines Professors zum Thema Hölle und Fegefeuer völlig verunsichert war. Da ist dann wieder die uralte Angst vor Gott und das Misstrauen, ob er uns auch wirklich gut will und gnädig ist, auch angesichts der Fehler und wenig erfreulichen Seiten unseres Lebens. Das alles wollte Jesus überwinden, auch auf die Gefahr hin, dass es dann Menschen gibt, die das als Freibrief für Liebelosigkeiten aller Art missverstehen. Es ist erschreckend und beängstigend zugleich, wie oft die Ohren und Herzen des Christentums in der Geschichte die Botschaft Jesu nicht wirklich vernommen und verinnerlicht haben.
Das Sakrament des Esels lässt manche Strukturen der Kirche und manches Amtsverständnis ziemlich alt und jesusfern aussehen.
Aber es kann ruhig auch die innere Haltung eines jeden von uns verunsichern, die wir doch immer wieder eher auf das Pferd, als auf einen Esel setzen. Das verhindert auch, dass wir nur „auf die da oben“ schimpfen und selbst nichts zur Verbesserung des allgemeinen Klimas in Kirche, Gesellschaft und Welt beitragen.
Kurz und gut, mögen doch diese Tage unseren Dank für einen solch liebenswerten Gott verstärken und unseren Wunsch, ein Menschsein zu leben, das gewaltfreier und liebevoller ist. Dazu möge Gott unsere Herzen mit dem Brot wandeln und uns seinen Geist in die Sinne und vor allem ins Herz legen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)