(Teresa CV 40,4 / s.u.; Röm 8, 14–16; Mk 10, 35–45)
Liebe Schwestern und Brüder,
Teresa war zu ihrer Zeit eine faszinierende Frau, die den Mut hatte, ihrer eigenen Erfahrung zu trauen und ihren eigenen Weg zu gehen, auch gegen den Widerstand kirchlicher Kreise. Darin ist sie uns bis heute Vorbild und Ermutigung, vor allem für jene, die gerade mit Kirche ein großes Problem haben. Dieses Problem stellt an uns alle die Frage, auf was sich eigentlich unser Glaube gründet und ob er auch von eigener Erfahrung gedeckt ist. Teresa wäre die letzte gewesen, die von sich behauptet hätte, sie hätte keine Schwächen und Fehler, die es immer wieder in aller Demut anzunehmen gilt. Auch sog. „Heilige“ sind Kinder ihrer Zeit, sie haben Schwächen, Fehler und Irrtümer. Warum verbinden wir mit „heilig“ nur moralische Perfektion und ein religiöses Leistungsdenken? „Heilig“ ist doch keine eigene Leistung, sondern heilig macht uns immer die Liebe. Zuerst die Liebe, die Gott und andere uns schenken und die uns vielleicht befähigt, sie weiterzugeben. Auch im Kloster gilt kein anderes Gesetz als das Gesetz der Liebe, ob man nun kontemplativ oder eher aktiv lebt. Ohnehin gehört beides zusammen, egal in welchem Lebensstand man lebt. Und nur, weil man in einem kontemplativen Kloster vielleicht mehr Zeit zum Meditieren und Beten hat, ist man nicht deswegen schon ein besserer Christ und Mensch! Trotzdem aber bewundern wir eher ausgefallene Frömmigkeit mehr als jene stille Liebe, die nicht viel Aufhebens von sich macht. Das ist die Täuschung und Illusion, vor der Teresa in unserer ersten Lesung heute warnt und der auch heutzutage nicht wenige erliegen. Da gefällt man sich in strenger Religiosität oder in einem ausgefeilten, geistlichen Leben, lebt aber am Geist der Liebe ganz vorbei. Teresa hat klar erkannt: was nicht Liebe hervorbringt bzw. stärkt, ist weder kontemplativ, noch fromm. Das ist für Kontemplative und Fromme sicher schwer zu ertragen, wenn sie eher auf religiöse Leistung, denn auf Liebe setzen. Ob das dann wirklich echt ist, wird man daran erkennen, ob man sich selbst oder andere groß macht, ob man wirklich bereit ist, „Diener“ oder „Sklave“ aller zu sein, wie wir heute auch im Evangelium hören. Natürlich brauchen wir heute keine Diener und Sklaven mehr und niemand soll sich dazu machen lassen, was ja oft leider geschieht. Nein, hinter „Diener“ und „Sklave“ steht eine Haltung, die sich nicht selbst zum Mittelpunkt und Nabel der Welt macht. Das jedenfalls ist schon eine Form der Liebe, um der es Teresa und Jesus geht. Wenn nicht, schreibt Teresa allen Religiösen und Frommen, auch Amtspersonen und Religionsvertretern, ins Stammbuch, dass sie Grund zu Furcht und Sorge haben und dem Problem auf den Grund gehen müssen.
Wie gesagt, niemand muss perfekt sein, auch im Lieben nicht. Niemand, außer Gott, kann nur Liebe in Person sein. Aber in diese Richtung muss es gehen. Dann sind wir vom Geist Gottes geleitet und nicht von der Ehrsucht. Dann heißen wir „Kinder Gottes“, sind wir „Töchter und Söhne Gottes“, nicht weil wir getauft sind, sondern weil wir aus Seinem Geiste zu leben versuchen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)
- Lesung zum Hochfest der hl. Teresa von Ávila
Aus dem Buch „Weg der Vollkommenheit“ der heiligen Teresa von Ávila
„Vor allem möchte ich die Kontemplativen vor Täuschungen und Illusionen warnen, denen sie häufig erliegen.
Ist ihr kontemplatives Gebet echt, so haben sie auch große Liebe; wenn nicht, sind sie keine Kontemplativen.
Diese Liebe kann sich in vielen Formen äußern, aber ein großes Feuer wird immer stark leuchten. Haben sie dieses Feuer der Liebe nicht, so ist das ein Grund zu Furcht und Sorge. Sie müssen versuchen herauszufinden, woran es liegt.
Dem sollten sie dann begegnen durch Gebete, durch sehr demütiges Verhalten und durch flehende Bitte an den Herrn, er möge sie nicht in Versuchung führen.“
(CV 40, 4)
(zitiert aus: Teresa von Ávila, „Ich bin ein Weib und obendrein kein gutes“, Ein Porträt der Heiligen in ihren Texten, Erika Lorenz, Herderbücherei 1982, S. 69)