(Apg 2, 1–11; 1 Kor, 12, 3b‑7.12–13; Joh 20, 19–23)
Liebe Schwestern und Brüder,
viele Christen haben heutzutage wenig Hoffnung, dass sich in der Kirche noch wesentlich etwas ändern wird. Viele verlassen ihre Kirche. Und doch verändert sich viel. Natürlich müssen wir aus der infantilen Rolle heraus, die uns jahrhundertelang eingebläut wurde, dass wir nur zu tun und zu lassen haben, was man uns „von oben“ herab, qua Amt, zu tun aufträgt. Diese Zeiten dürften zumindest bei uns vorbei sein.
Das Pfingstfest ist für mich ein Fest der Hoffnung, dass der Heilige Geist viele ergreift und neu begeistert für einen Gott, der mündige Töchter und Söhne will. Es geht nie zuerst um „die Kirche“, jedenfalls nicht um eine abstrakt verstandene Kirche, die vor allem unseren Gehorsam verlangt. Nein, es geht immer zuerst um das Geheimnis „Gott“, den Gott der Liebe, den Jesus heilsam bezeugt und für den er auch in den Tod gegangen ist.
Diese Botschaft soll in uns allen begeistert brennen und die Herzen und das Leben vieler Menschen entzünden. Sie ist der tiefste Grund, der Menschen zusammenführen und einen soll. Sie entzündet uns zu weltweiter Geschwisterlichkeit und zu einem Klima der Wertschätzung, das unsere Mitgeschöpfe und unsere Mutter Erde mit einschließt.
Pfingsten ist die beinahe trotzige Hoffnung, dass entgegen dem Augenschein ein liebevolles Miteinander und Dasein möglich ist, dass Entscheidungsträger von Privilegien ablassen, herabsteigen von ihren menschenfernen Thronen und wieder mit und bei den Menschen leben.
Pfingsten ist die Hoffnung, dass nicht die Lautesten, sondern die Leisen das Sagen haben, nicht die Finanzkräftigsten, sondern jene, die jeden Cent umdrehen müssen.
Pfingsten ist die Hoffnung, dass die Herzsprache zur Weltsprache wird, die alle verstehen, egal, wo Menschen herkommen und was sie sonst für eine Sprache sprechen und woraus sie Kraft für ihr alltägliches Leben schöpfen.
Pfingsten ist die Hoffnung, dass nicht mehr nur allein die Wirtschaft, sondern vor allem die Herzlichkeit, Menschlichkeit und Wahrhaftigkeit wachsen und bezahlt werden.
Pfingsten werden all‘ die vielen, stillen und alltäglichen Helden in den Mittelpunkt gerückt, die unser aller Leben manchmal bis an den Rand ihrer leibseelischen Gesundheit am Laufen halten und ohne die vielleicht schon Vieles zusammengebrochen wäre.
Pfingsten ist also ein Hoffnungsfest, an dem wir daran festhalten, dass überraschende Wenden zum Positiven möglich sind, weil Gott einfach viele Menschen mit seinem heiligen und heilenden Geist entzündet, und zwar ohne wenn und aber.
Diese Erfahrung wünsche ich uns allen, heute oder in baldiger Zukunft. Ich wünsche uns allen, dass wir angehaucht werden mit Seinem Geist, der Leben, Liebe, Vertrauen, Hoffnung und inneren Frieden bedeutet.
Vielleicht mögen wir uns das irgendwie nicht vorstellen können. Aber das konnten sich die Jüngerinnen und Jünger damals auch nicht.
Lasst uns trotzdem feiern, dass Pfingsten auch hier und heute möglich ist, weil Gott es für uns will, als Einzelne, wie als Gemeinschaft. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)