(Sir 18, 1–14; 1 Joh 3, 1–3; Mt 5, 1–12a)
Liebe Schwestern und Brüder,
„Ich möchte kein Heiliger sein, mit ihnen lebt es sich so schwer“, so schrieb die hl. Teresa von Ávila (1515–1582). Natürlich hat sie da ein bestimmtes Bild von Heiligkeit vor Augen, wie es oft noch heute anzutreffen ist. Fast alle Heiligenlegenden und ‑biografien zeichnen eher das Bild von Heiligkeit, das sich jede Zeit so macht, aber mit der Heiligkeit, die Gott will und schenkt, hat das so gar nichts zu tun. Natürlich bewundern wir die Leistungen mancher Menschen, ihre Lebenshingabe, ihr hohes, moralisches und religiöses Niveau. Aber liebenswert und nachahmenswert finden wir sie oft nicht. Was Teresa meint, sind eher Menschen, die in ihre eigene, vermeintliche Heiligkeit so verliebt sind, dass sie kaum noch liebes- und gemeinschaftsfähig sind. Außerdem ist die Gefahr groß, Heiligkeit nur mit persönlicher Leistung zu verbinden und so aus dem Himmel der Gnade herauszufallen. Denn Liebe ist doch ein Geschenk, das sich zumindest bei Gott niemand verdienen kann und muss. Es gab und gibt keinen und wird niemals einen Heiligen geben, der nicht Liebe schuldig bleibt, der nicht auch schuldig wird, schlicht weil er ein begrenzter, verletzlicher und verletzter Mensch ist. Jesus hat kaum mit sog. „Zöllnern und Sündern“ so oft Mahl gehalten, weil sie moralisch und religiös perfekt waren. Er hat schlicht den Heiligkeitsspieß umgedreht und sein Verständnis von Heiligkeit gelebt, nämlich die, wie sehr Gottes Liebe und Barmherzigkeit uns heilig machen und uns dazu befähigen, Seine Liebe weiterzugeben. Diese Liebe sah Jesus bei „Zöllnern und Sündern“ eher, als bei allzu selbstverliebten und darum oft hartherzigen, religiösen Eiferern.
Jesus preist ja nicht die religiösen Leistungssportler selig, sondern jene, die immer wieder neu Menschsein wagen und Menschwerdung als irdisch unabgeschlossen und dynamischen Prozess zulassen. Sie ermutigt Jesus, so weiter zu machen und darin nicht nachzulassen, weil sie in diesem gottgeschenkten Tun nicht nur Sakramente der Liebe Gottes sind, sondern so auf dem Weg gemeinsamer Menschwerdung bleiben.
Ja, man mag die Menschen belächeln, ja, manche von ihnen werden in ihrer Verletzlichkeit vielleicht sogar psychologische Hilfe oder gute Wegbegleiter brauchen, aber sie sind trotzdem Gottes Lieblinge und Heilige. Sie sind arm vor Gott, weil sie sich nicht vor Gott und Menschen dauernd selbst rechtfertigen müssen. Sie können Trauer zulassen, sich Sanftmütigkeit leisten, zu ihrer bleibenden Sehnsucht nach Gerechtigkeit hier und weltweit stehen. Sie sind es, bei denen man Barmherzigkeit findet und nicht gnadenlos verurteilt wird. Sie sind es, deren Herzen wirklich rein und keine Mördergrube sind. Sie sind es, die die Gabe haben, Frieden zu stiften und sich nicht nur aus extremen Positionen heraus anzuschreien. Ja, sie sind es, die Shitstorm ertragen müssen, weil sie nicht dem Geist der Zeit, sondern dem Geist Jesu folgen wollen.
Freude und Jubel wünscht Jesus ihnen, jetzt schon.
Und schenke uns Gott, dass jeder Einzelne von uns und wir miteinander Grund dazu haben. Am Ende steht nicht unser, sondern Gottes Liebestun im Vordergrund. Dafür danken wir an diesem Hochfest, in jeder Eucharistiefeier und sollten es immer wieder tun. Amen.
P. Thomas Röhr OCT