(Apg 2, 1–11; 1 Kor 12, 3b‑7.12–13; Joh 20,19–23)
Liebe Schwestern und Brüder,
das Wort „Pfingsten“ heißt wörtlich übersetzt der „50. Tag“. Pfingsten meint also den 50. Tag nach Ostern. Es ist jener Tag, an dem die Jüngerinnen und Jünger mit Heiligen Geist erfüllt wurden und Worte wiederfanden, die von vielen, unterschiedlichen Menschen verstanden wurden. Das ist ja zu allen Zeiten wichtig und immer wieder anzustreben. Aber es geht Pfingsten nicht zuerst um Worte, auch nicht um die Gründung der Kirche, noch um die Missionierung der Welt. Es geht um jenen Geist, von dem Jesus erfüllt war, der seine Worte und Taten, sein Verhalten, entscheidend prägte. Es war nicht einfach sein Geist, sondern ein gemeinsamer. Jesus verstand sich als Gesandter seines Abba-Gottes. Was er sagte und noch mehr was er tat, das war für ihn eine Botschaft Gottes, war Ausdruck des gemeinsamen Geistes.
Wenn wir also nach Pfingsten fragen, müssen wir uns zuerst erinnern, und zwar daran, „wes Geistes Kind“ Jesus war. Zunächst müssen wir festhalten, dass das Religiöse für Jesus kein religiöses Leistungsprinzip, sondern ein liebe- und vertrauensvolles Beziehungsprinzip war. Er befreite die Menschen von dem gotteslästerlichen Zwang, dies und jenes tun oder lassen zu müssen, um Gott zu gefallen, seine Liebe verdienen zu müssen. Jesus ermunterte die Menschen, dass sie Gott vor allem und zuerst und bedingungslos seiner Liebe glauben, also vertrauen, sollten und zwar unter allen Umständen. Vor allem, leider oft ängstlichen, Fragen, was ich für Gott tun muss, steht die Frohe Botschaft dessen, was Gott einem jeden Menschen sagt und tut, nämlich: „Du bist geliebt!“
So befreiend, wie das zunächst klingt, so schwer ist es, dies wirklich zuzulassen und anzunehmen. Um diese Frohe Botschaft als wirklich bedingungslos erfahrbar zu machen, wurde er zum „Freund der Zöllner und Sünder“. Denn diese hatten und haben wahrlich nichts, worauf man sonst in religiösen Systemen so stolz sein kann.
Pfingsten also erinnern wir uns an Gottes unbedingte Liebe, die in Jesus Hand und Fuß, Herz und Gesicht, Füße und Hände, bekommen hat. Sie dankbar zu bekennen und anzunehmen, ist die erste Gabe, um die wir heute besonders bitten sollten.
Wenn sie jedem von uns persönlich geschenkt wird, dann fängt sie an, uns zu bewegen. Sie bewegt unser Leben und lässt uns möglicherweise neue Prioritäten setzen. Sie bewegt uns aber auch, die Segel unseres Lebensbootes in den liebevollen Wind Gottes zu richten und in neuer Weise wieder zueinander zu finden. Denn wie oft ist das religiöse Verhalten der Menschen eher eine Abgrenzung und ungute Selbsterhöhung, die Menschen voneinander trennt oder gar gegeneinander aufbringt.
Jesus bindet Gottes Gegenwart an die Zuwendung, Barmherzigkeit und Menschlichkeit von Menschen und nicht an religiöse oder moralische Leistungen, nicht an die rechte Lehre oder an noch so tolle Gottesdienste. „Religiös“ im Geiste Jesu ist nicht, wer am meisten betet, sondern wer am meisten liebt. „Religiös“ im Geiste Jesu ist, wer in seinem persönlichen Weihnachten voranschreitet, also in seiner eigenen Menschwerdung reift.
Die zweite Gabe, um die wir heute also bitten sollten, ist, dass wir uns von Gottes liebevollen Geist ergreifen, verwandeln und uns bewegen lassen sollten, um in geteilten Menschsein zu wachsen und zu reifen. Selbstverständlich schließt das eine liebevolle Haltung unseren Mitgeschöpfen gegenüber mit ein.
Die Frage ist natürlich, ob wir ein solches Pfingsten wirklich wollen. Auch, wenn Gottesdienste in der Kirche wichtig und ersehnt sind: in ihnen erinnern wir uns doch auch daran, dass der wichtigste Gottesdienst jener ist, bei dem wir uns dem Geiste Jesu und seines Vaters überlassen, um gelassen und mit großem Vertrauen im Fahrwasser der Liebe miteinander unterwegs zu sein, wo und wie immer das geschieht. Amen.
Euer / Ihr
P. Thomas