(Gen 9, 8–15; 1 Petr 3, 18–22; Mk 1, 12–15)
Liebe Schwestern und Brüder,
die Fastenzeit ist eine Zeit, die uns ermutigt, daran zu glauben, dass wir Dinge, Lebenseinstellungen und uns selber ändern können. Viele schaffen in dieser Zeit Bemerkenswertes, manche sind leider auch sozial etwas unverträglich. Wenn die Fastenzeit mehr sein soll als eine moralische und religiöse Kraftanstrengung, deren Ende man herbeisehnt, dann sollte sie Grundsätzliches über diese Zeit hinaus und längerfristig in Bewegung setzen. Es bringt ja auch nichts, kurzfristig abzunehmen, wenn man nicht längerfristig seine Bewegungs- und Ernährungsgewohnheiten auf den Prüfstand stellt. Aber wie oft erleben wir enttäuschend: „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“ (z.B. Mk 14,38)
Gott sei Dank, schafft es in der 1. Lesung aus dem Buch Genesis Gott, sich zu ändern. Denn einige Kapitel vorher will er alles vernichten, weil er die chronische Bosheit der Menschen nicht mehr erträgt, was man ja auch verstehen kann. Aber selbst, als er die große Flut zur Vernichtung ankündigt, ist er, wie so oft oder vielleicht sogar immer, liebevoll inkonsequent, weil er nicht nur Noach, sondern auch seine Familie rettet. Aber nicht nur sie liegen ihm am Herzen, sondern auch die „Wildtiere der Erde überhaupt“ (Gen 9, 10). Deswegen schließt er von sich aus einen Bund mit allen und verpflichtet sich, nie mehr über Vernichtung nachzudenken, und zwar ohne irgendwelche Vorbedingungen.
Gott ändert sich also und will sein Wohlwollen und seine Liebe nicht mehr vom Verhalten der Menschen abhängig machen. Dieser Entschluss Gottes ist für uns und alle Geschöpfe eine tiefe Quelle der Hoffnung, des Vertrauens, des Trostes und der Freude, auch und gerade in der Fastenzeit. Diesen Entschluss hat einmal mehr Jesus bestätigt, der in der Wüste erfahren hat, wie bedroht dieses Vertrauen und das Menschsein und ‑werden immer wieder ist. Und die Bemerkung, dass er bei den wilden Tieren lebte (Mk 1,13), erinnert(e) den bibelkundigen Leser an die Paradieserzählung und vielleicht auch an unseren Lesungstext aus der Sintflutgeschichte.
Jesus, als der neue, von Gottes Geist erfüllte, Mensch, lebt eben auch in Harmonie mit allen anderen Geschöpfen und bringt so zum Ausdruck, dass Gottes Bund weiter besteht. Daran sollten wir uns am Beginn der Fastenzeit vor allem erinnern, bevor wir darüber nachdenken, was wir alles tun können. Jesus machte die Gegenwart des Reiches Gottes ja auch nicht abhängig vom Tun des Menschen. Er kündigte es einfach an und bat die Menschen, umzudenken, was „Umkehr“ im Griechischen eher heißt (Metanoete). Jesus sagt nicht, wenn ihr umkehrt, dann ist das Reich Gottes nahe, sondern umgekehrt. Wie oft machen wir bis heute die Nähe und Liebe (Gottes) abhängig von unguten „Wenn-Dann-Sätzen“! Halten wir es aus, beschenkt zu werden, ohne gleich an Gegengeschenke zu denken? Wer sich solcherart geliebt und beschenkt erfährt, der wird eben nicht tun und lassen, was er will. Es wird ihn drängen, sich Gottes Geist zu überlassen und sich am Ende doch mit Gottes Hilfe und Vorbild an manchen Stellen zu ändern, um sein neugewonnenes und geschenktes Vertrauen in jeglicher Form von Liebe sichtbar und erfahrbar zu machen. Mögen wir also mehr und mehr Gottes Bündnispartner werden, um Seinen Bund bedingungsloser und voraussetzungsloser Liebe ohne wenn und aber allen Menschen und Geschöpfen erfahrbar zu machen, und zwar nicht nur in besonderen, sondern vor allem in alltäglichen Zeiten. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)