Pre­digt zum 25. Sonn­tag im Jah­res­kreis A (20.09.2020)

(Jes 55, 6–9; Phil 1, 20ad-24.27a; Mt 20, 1–16)

Pre­digt von P. Tho­mas Röhr OCT — Audioversion

Lie­be Schwes­tern und Brüder,

die ers­te Le­sung aus dem Buch Je­sa­ja ist ge­ra­de­zu ei­ne Le­se­hil­fe für das Evan­ge­li­um. „Sucht den Herrn“ (Jes 55,6), heißt näm­lich auch, sich auf die Ge­dan­ken­gän­ge Got­tes ein­zu­las­sen und die ei­ge­nen, si­cher oft klu­gen, Ge­dan­ken we­der als An­gel­punkt der Welt zu be­trach­ten, noch mit den Ge­dan­ken Got­tes all­zu ge­dan­ken­los zu ver­wech­seln. Oh­ne, dass wir uns des­sen be­wusst sind, sind un­se­re Ge­dan­ken doch oft recht fest­ge­legt, ein­sei­tig und zu­min­dest aus­bau­fä­hig. Es gibt z.B. Fra­gen, die dies auf lus­ti­ge Wei­se of­fen­le­gen kön­nen. Da gibt es die Fra­ge, wie vie­le Tier­paa­re Abra­ham mit in die Ar­che ge­nom­men ha­ben könn­te. Wäh­rend wir al­so dar­über nach­den­ken, mer­ken wir nicht, dass nicht Abra­ham, son­dern No­ah in der Ar­che war. Na­tür­lich ist es un­ge­recht, wenn die Ar­bei­ter, die 12 Stun­den ge­ar­bei­tet ha­ben, am En­de den glei­chen Lohn er­hal­ten wie je­ne, die nur ei­ne Stun­de ge­ar­bei­tet ha­ben. Aber das ist eben nicht die Sinn­spit­ze des Gleich­nis­ses. Für uns, de­nen Zah­len, das Ver­glei­chen, Quan­ti­tä­ten und Leis­tun­gen so wich­tig sind, fällt es schwer, Got­tes Ge­dan­ken­gän­ge nach­zu­ge­hen. Für ihn scheint un­ser Den­ken fremd zu sein. Vor ihm zählt kein Rech­nen, Ver­glei­chen und Leis­ten. Vor ihm zählt auch kei­ne an­ony­me Mas­se, kei­ne an­ony­me Kir­che oder Ge­mein­de, kei­ne zu Kon­su­men­ten und Ver­brau­chern de­gra­dier­te Men­ge. Bei ihm zählt der ein­zel­ne Mensch und dass er hat, was er zum Le­ben braucht. Ein De­nar war das Exis­tenz­mi­ni­mum für ei­ne Fa­mi­lie für ei­nen Tag. So denkt, so tickt Gott. Das meint bei Ihm Ge­rech­tig­keit: nicht Leis­tungs­ge­rech­tig­keit, son­dern Lie­bes­ge­rech­tig­keit, nicht An­spruchs­den­ken, son­dern Dank­bar­keits­den­ken. Es mag ja sein, dass man­cher ein Le­ben lang ein treu­er und bra­ver Ka­tho­lik war. Aber ei­nen An­spruch kann er dar­aus nicht ab­lei­ten, ge­nau­so we­nig wie man ihn aus Äm­tern und Wür­den ab­lei­ten kann. Denn Gott in­ter­es­siert nicht, ob man Ers­ter als Pfar­rer, Bi­schof oder Papst war. Gott in­ter­es­siert, ob wir uns im­mer wie­der neu be­müht ha­ben, uns auf Sein Den­ken in Ka­te­go­rien der Lie­be und Barm­her­zig­keit ein­zu­las­sen, dar­auf, je­dem Men­schen und Ge­schöpf sein Exis­tenz­mi­ni­mum an wür­de- und ehr­furchts­vol­lem Le­ben ge­schenkt und er­mög­licht zu ha­ben. Ihn in­ter­es­siert, ob wir mehr an un­se­rem Lohn oder mehr an Got­tes Barm­her­zig­keit in­ter­es­siert wa­ren und sind. Denn wer kann schon am En­de sei­nes Le­bens mit brei­ter Brust vor Gott hin­tre­ten und sei­nen Lohn ein­for­dern? Je­der von uns braucht Got­tes Er­bar­men und hängt an dem Ver­trau­en, dass Gott „groß im Ver­zei­hen“ (Jes 55,7) ist.

Mö­ge es Gott uns schen­ken, dass wir im­mer wie­der neu auf­bre­chen im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes, um Got­tes Ge­dan­ken und We­gen nach­zu­spü­ren, nach­zu­me­di­tie­ren und so in der Got­tes­kind­schaft zu wach­sen und zu rei­fen. Amen.

P. Tho­mas Röhr OCT