(Apg 2,14.22b-33; Ps 16,1–2 u. 5.7–8.9–10; 1 Petr 1,17–21; Joh 21, 1–14)
Liebe Schwestern und Brüder,
in den letzten Tagen bemerke ich immer wieder, wie aktuell biblische Texte sind. Gerade beim Lesen und Hören der liturgischen Texte dieser Wochen denke ich oft „Ach schau mal, so ähnlich geht’s uns heute auch!“
So auch wieder bei den Texten dieses Sonntags. In der ersten Lesung aus der Apostelgeschichte wird von Pfingsten berichtet. Auch wenn es nicht da steht, wissen wir, was dem gehörten vorausgegangen ist: Die Freunde Jesu haben sich nach seinem Tod und seiner Auferstehung zurückgezogen. Sie harrten hinter verschlossenen Türen aus – so wie auch wir es in diesen Tagen der noch geltenden Kontaktverbote tun, in unterschiedlichem Maß, aber doch alle mehr oder weniger. So langsam nähert sich aber unser „Pfingsten“ – wenn auch nicht wie in biblischer Zeit durch das Wehen des Heiligen Geistes angekündigt und mit einem Wandel zum radikalen Hinausgehen, so doch durch die Worte unserer Regierenden, die moderate Lockerungen ankündigen, immer noch unter der Maßgabe des Abstandshaltens.
So finden wir uns auch nicht ganz in den Worten des Petrus wieder, der aus Psalm 16 zitiert: „Darum freut sich mein Herz und frohlockt meine Zunge“. Aber warum eigentlich nicht? Haben wir nicht durch die Auferstehung Jesu, die wir nicht nur an Ostern feiern, sondern an jedem Sonntag, ja an jedem Tag, an dem wir uns im Gebet mit ihm und miteinander verbinden, einen Grund zur Freude, der ungleich größer ist als alles, was uns bedrückt? Der uns selbst in diesen Zeiten, die ohne Frage Grund zur Klage geben (die wir bitte um unseres und um Himmels willen auch ausdrücken), aber doch immer wieder erinnert: Das Leid, der Tod, haben nicht das letzte Wort!
So fährt Petrus fort, immer noch mit Worten aus Psalm 16: „Du hast mir die Wege zum Leben gezeigt, du wirst mich erfüllen mit Freude vor deinem Angesicht.“ Vielleicht ist das ja doch schon eher unser Empfinden.
Wir hören und lesen ja in diesen Tagen oft die Erzählungen, wie Jesus seinen Freunden nach der Auferstehung erscheint. Warum sind diese eigentlich oft so wunder-bar, ja geradezu mysteriös?
Zwei Jünger, niedergeschlagen und enttäuscht, auf dem Weg nach Hause. Die Apostel, versammelt, voll Angst und Befürchtungen, hinter verschlossenen Türen. Petrus und seine Kollegen beim Fischen, dem Versuch, doch wieder ein wenig Normalität zu wagen.
In alle diese Situationen tritt Jesus hinein, mal erkannt, meist, zumindest ersteinmal, unerkannt. Ich glaube, das liegt daran, dass die Auferstehung eine komplette Wandlung gebracht hat: Jesus lässt sich nicht mehr an der Gestalt oder am Klang der Stimme erkennen – er ist jetzt anders da. Aber – und das ist das wunderbare – er ist da. In den Enttäuschungen unseres Lebens. In den Zurückgezogenheiten und Isolationen unseres Lebens. In der Normalität, im (Arbeits-)Alltag – auch wenn wir uns den im Moment vielleicht nicht vorstellen können.
In alle diese Situationen, das wollen uns die Evangelisten mir ihren Berichten von den Erscheinungen des Auferstanden sagen, kommt Jesus. Das galt für Ihre Hörer und Leser, die ja viele Jahre später lebten, und das gilt auch für uns, die noch einmal viel später davon hören.
Und vielleicht ist es genau die Erfahrung, die diese Erzählungen vermitteln, die auch wir im Moment machen: Es gibt nicht nur den einen, heiligen Ort der Gottesbegegnung, der Tempel oder die Kirche – sondern es gibt ganz viele heilige Orte der Begegnung mit dem Auferstandenen. Wenn wir miteinander oder alleine zu Hause einen Gottesdienst mitfeiern, wenn wir daheim eine Agapefeier halten und in Erinnerung an Jesus das Brot brechen, wenn wir mit anderen, ob nah, ob fern, im Gespräch und im Gebet verbunden sind. Damit will ich nicht sagen, dass gemeinsame liturgische Feiern (seien es Eucharistiefeiern, Andachten, Wort-Gottes-Feiern) überflüssig sind – keineswegs. Aber sie sind nicht der einzige Ort, an dem wir Gott und einander nahe sein können.
Ich wünsche Ihnen für heute, für diese Woche und für diese Zeit eine tiefe Osterfreude im Herzen, Begegnungen mit dem liebevollen Gott, der uns, wie in den Ostererzählungen oft erstmal unerkannt, ganz nah sein will – und auch Begegnungen mit Menschen, die ein bisschen von beidem in Ihr Leben bringen. Amen.
Marc Teuber