(Ex 22, 20–26; 1 Thess 1, 5c-10; Mt 22, 34–40)
Liebe Schwestern und Brüder,
in der 1. Lesung aus dem Buch Exodus haben wir ein Stück aus dem sog. „Bundesbuch“ gehört. Es wurde ungefähr um 700 v.Chr. geschrieben. Das besondere Interesse galt dem Sozialrecht. Denn biblisch sind nicht der Kult oder besondere, religiöse Übungen entscheidend, sondern gerade die Propheten verbinden die Gottes- vor allem mit der Nächstenliebe. Das sehen wir bei Jesus nicht anders. Schaut man sich den historischen Hintergrund des Bundesbuches an, so scheint es, als ob die menschlichen Probleme immer die gleichen sind. 722 v.Chr. wurde das Nordreich Israel durch die Assyrer ausgelöscht. Wie heute, so lösen kriegerische Konflikte Flüchtlingsströme aus, gibt es viele Waisen und Witwen, verdienen bestimmte Kreise viel Geld mit der Not und dem Elend von kriegsgeplagten Menschen. Immer wieder ist es Gott selbst, der seine Stimme gegen Unrecht und Ausbeutung erhebt, wo Menschen scheinbar die Sprache und ihr emphatisches Herz verloren haben. Haben dann Menschen das Recht, sich über Gottes Zorn aufzuregen, ja nur noch einseitig einen Gott des Zornes zu beklagen und abzulehnen? So kann man sich auch seiner eigenen Verantwortung entziehen.
Während das Gebot der Liebe doch zunächst recht allgemein klingt und am Ende vielleicht keine Taten hervorbringt, ist das Buch Exodus heute schon recht konkret. Es hat ja doch keinen Sinn, die Liebe als wichtigstes Gebot zu feiern und es bei Betroffenheitsveranstaltungen zu belassen, die am Ende niemanden weh tun, nichts wirklich verändern, außer dass man sich selbst doch ziemlich toll findet. Seit Jesus das Gebot der Gottesliebe mit dem Gebot der Nächstenliebe ausdrücklich verbunden hat, ist wahrer Gottesglaube ohne konkrete Nächstenliebe nicht mehr vorstellbar. Aber neu ist das dann nicht wirklich, denn schon viele Propheten des 1. Testamentes haben es in ihren Botschaften in Gottes Namen ähnlich gemacht. Bis heute ist es provokativ und ärgerlich, dass die Liebe am Ende wichtiger ist als noch so tolle Gottesdienste und toll arrangierte Glaubensbekenntnisse, als wieder erhofftes, flächendeckendes Christentum. Gerade in den Krisenregionen unserer Erde, wie eben auch in Westafrika, das heute im Blickpunkt des Weltmissionssonntages steht, engagieren sich Christen um Gottes willen für Menschen in Not, um deren Lebenssituation spürbar zu verbessern. Damit legen sie ein Zeugnis für ihren Glauben ab, das stärker ist als eine einseitige Sicht von der Missionierung der Völker. Unsere Mission ist nicht der Gewinn von mehr Mitgliedern, sondern ein Zuwachs an mehr konkreter Liebe. Das sollte uns vor allem mit Freude erfüllen und nicht zuerst eine starke, einflussreiche Kirche. Der Einsatz für die Schwächsten in einer Gesellschaft und in der Welt ist der beste Ausweis für jegliche, echte Gottes- und Nächstenliebe. Das eben drückt sich auch in dem Motto des heutigen Sonntages der Weltmission aus: „Selig, die Frieden stiften (Mt 5, 9), solidarisch für Frieden und Zusammenhalt“. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)