Liebe Schwestern und Brüder,
Der erste Vers des heutigen Evangeliums ist wie ein Trostwort und zugleich eine Programmaussage für unsere gegenwärtige Zeit: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ (Joh 14,1)
Natürlich gibt es immer Vieles, was unser Herz verwirrt, vor allem die denkende Seite unseres Herzens. Denn im biblischen Verständnis ist das Herz auch ein Denkorgan. In Abwandlung des berühmten Zitates aus dem „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupery „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, könnte man auch sagen: „Man denkt nur mit dem Herzen gut“. Freilich müssen auch hier die guten Seiten des Herzens stärker sein als die weniger guten. Wenn es also heute heißt, „euer Herz lasse sich nicht verwirren“, dann war das mit der Verwirrung wohl immer ein Problem. Denn auf der einen Seite stehen manchmal glatte Glaubenssätze und unhinterfragte Glaubensgewissheiten. Anderseits aber stehen da die krummen Wege des Lebens und Erfahrungen, die unsere vermeintlichen Gewissheiten über den Haufen werfen. Das schafft gerade in besonderer Weise ein klitzekleines Etwas, das „Virus“ genannt wird.
In der Regel sind wir keine Weltmeister von Veränderungsbegeisterung. Wir sind eher „Gewohnheitstiere“, wie man so sagt, weil Gewohntes beruhigt, aber zugleich auch kleine Gefängnisse für unsere bleibenden und oft verborgenen Ängste ist, die wir gerne kontrolliert haben möchten. Eine Pandemie ist aber wie ein Gefängnisausbruch unserer Ängste, die sich nicht gerne kontrollieren und einsperren lassen. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen mit ihnen leben. Auch sie brauchen eine Wohnung in unserem Lebenshaus, in dem sie sein und einen Platz haben dürfen. Dann blockieren sie vielleicht nicht so sehr das Denken unseres Herzens. Wie aber kann das geschehen? Mal abgesehen davon, dass alle Arten von Lebenszuwächsen ein unverdientes Wunder sind, heißt es ja im heutigen Evangelium weiter: „Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ Wenn es irgend-etwas gibt, was es mit unseren Verwirrungen und Ängsten aufnehmen kann, dann ist es das Vertrauen in den Gott der Liebe, die in Jesus Hand und Fuß, ein Herz und ein Gesicht bekommen hat. Klar, über Gott kann man alles Mögliche denken und sagen, und wie oft sagt das mehr über den, der was sagt, als wirklich über das Geheimnis Gottes. Darum fragt ja Philippus in unser aller Namen: „Herr, zeig uns den Vater, das genügt uns“ (V8). Es genügt eben nicht, dies und das über Gott zu wissen, weil es in den Verwirrungen des Lebens allein nicht wirklich trägt.
Jesus antwortet: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (V9). Man könnte auch sagen: „Wer meine Liebe gesehen hat, hat den Vater gesehen!“ Und Jesus war ein Liebesverrückter, der religiöse Systeme erschüttert und ver-rückt hat, damit sich unser Glaube, unser Vertrauen, auf das stützt, besser auf DEN stützt, der wirklich in aller Not tragen kann. Und so dürfen alle Liebenden sagen: „Wer mich sieht, sieht den Vater!“, ob es nun eine Mutter, ein Vater, ein Kind, ein Jugendlicher, ein Opa oder eine Oma sind.
Relativieren wir damit die Bedeutung Jesu? Nein, denn es heißt doch auch: Wo Liebe, da ist Gott (1 Joh 4). Das hat Jesus deutlich gemacht, dafür ist er gestorben. Das will uns also heute ins Herz gesagt sein: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ Es lohnt sich, nicht nur am Muttertag, darüber mit und in seinem Herzen nachzudenken. Amen.
Euer / Ihr
P. Thomas OCD