Pre­digt zum 6. Sonn­tag der Os­ter­zeit (17.05.2020)

(Apg 8,5–8.14–17; 1 Petr 3,15–18; Joh 14,15–21)

Lie­be Schwes­tern, lie­be Brüder,

die Tex­te des heu­ti­gen Sonn­tags sind tief ge­prägt von den Er­fah­run­gen der frü­hen Kir­che. Aber heißt das, dass sie für uns heu­te kei­ne Be­deu­tung haben? 

Der Ab­schnitt aus der Apos­tel­ge­schich­te er­eig­net sich in ei­ner Zeit der Be­dräng­nis und der Ver­fol­gung. In die­se Zeit hin­ein kommt Phil­ip­pus, er spricht auf über­zeu­gen­de Wei­se von sei­nem Glau­ben, so dass vie­le sei­ner Zu­hö­rer sich an­ge­spro­chen füh­len und sich tau­fen lassen. 

Im ers­ten Pe­trus­brief le­sen wir: “Seid stets be­reit, je­dem Re­de und Ant­wort zu ste­hen, der von euch Re­chen­schaft for­dert über die Hoff­nung, die euch er­füllt.” Sind wir das? Auch hier stellt sich die Fra­ge: Wel­chen Platz hat Je­sus in mei­nem Her­zen? Ich den­ke, es ist klar: Es geht nicht dar­um, mit mei­nem Glau­ben hau­sie­ren zu ge­hen, un­ge­fragt je­den da­von zu er­zäh­len, ob er es hö­ren möch­te oder nicht. Aber es geht dar­um, wenn Fra­gen auf­kom­men, die den Glau­ben be­tref­fen — sei es di­rekt oder in­di­rekt — nicht aus­zu­wei­chen oder sich zu ver­ste­cken, son­dern da­zu zu ste­hen, und dann aus dem Her­zen her­aus zu ant­wor­ten. Das ist nicht im­mer ein­fach – aber es kann viel be­wir­ken, so­wohl bei dem, der mei­ne Wor­te hört, aber auch bei mir sel­ber: Ich ler­ne mich sel­ber bes­ser ken­nen, wenn ich aus mei­nem In­ne­ren spre­che, und ich er­leb­te, wel­che Wir­kung mei­ne Wor­te ha­ben können.

Das war wahr­schein­lich zu kei­ner Zeit ein­fach. Des­halb fin­den sich die­se Wor­te im 1. Pe­trus­brief. Und au­gen­schein­lich war dies auch ein The­ma in der Ge­mein­de, für die das Jo­han­nes­evan­ge­li­um ge­schrie­ben wur­de. Der Text, den wir da aus Ab­schieds­e­den Je­su le­sen, spricht ja auch von ge­nau die­sem The­ma: Wir kann man an Je­sus glau­ben, wenn er nicht sicht­bar da ist? Wie kann man mit ihm ver­bun­den sein, oh­ne sei­ne Wor­te zu hö­ren? Wie kann man sich an ihm aus­rich­ten, wenn er nicht als Vor­bild den Weg vor­an geht?

Je­sus sagt nach Jo­han­nes, er wer­de den Va­ter bit­ten, ei­nen an­de­ren Bei­stand zu sen­den, den Geist der Wahr­heit. Pa­ra­kle­tos kann zwar auch Trös­ter hei­ßen, wie bei­spiels­wei­se die Lu­ther­bi­bel an die­ser Stel­le über­setzt, aber nach dem Neu­tes­ta­ment­ler Klaus Ber­ger wi­der­spricht das hier dem ge­mein­ten. Ge­meint ist ein Bei­stand, mehr noch An­walt, ein Pa­tron, der für uns ein­tritt, wenn uns die Wor­te feh­len, wenn die Angst uns lähmt, wenn wir uns ohn­mäch­tig fühlen.

Da­mit ver­bun­den ist die Zu­sa­ge Je­su: Ich las­se Euch nicht zu­rück – ich kom­me zu Euch — ihr seht mich.

Wie oft fragt mei­ne Toch­ter abends beim ins Bett ge­hen noch das ei­gent­lich selbst­ver­ständ­li­che: Bist Du gleich ne­ben­an? Bist Du da? Oder, wenn ei­ner von uns El­tern erst spät nach Hau­se kommt: „Kommst Du noch­mal zu mir ans Bett und gibst mir ei­nen Gu­te-Nacht-Kuss?“ Und selbst­ver­ständ­lich sind wir El­tern so da, wie wir ge­braucht wer­den. Und ge­nau so ist Je­sus für die Sei­nen da, ge­ra­de dann, wenn sie sich un­si­cher fühlen.

Er ist da in sei­nem Hei­li­gen Geist – das fei­ern wir in der Fir­mung, die ein un­aus­lösch­li­ches Merk­mal ver­leiht. Er ist da in der Eu­cha­ris­tie, in der wie ihn ganz ge­gen­ständ­lich in uns auf­neh­men. Er ist da in sei­nem Wort, das uns im­mer wie­der neu ge­schenkt wird.

Die­se Er­fah­rungs­wei­sen Got­tes las­sen sich nicht ge­gen­ein­an­der aus­spie­len. Je­der von uns hat an­de­re An­ten­nen, hat an­de­re Er­fah­rungs­ebe­nen, auf de­nen wir an­ge­spro­chen wer­den. Das wich­ti­ge ist die Va­ria­ti­on, ist, sich auch im­mer wie­der auf neu­es einzulassen.

Des­we­gen ist es gut, ne­ben der Eu­cha­ris­tie­fei­er an­de­re For­men zu ha­ben, den Glau­ben zu fei­ern und Je­sus dar­in zu be­geg­nen — bei­spiels­wei­se in der Wort-Got­tes-Fei­er, in der das Wort Got­tes ganz im Mit­tel­punkt steht. Und wir dür­fen ver­trau­en: Dar­in ist Je­sus ge­nau so ge­gen­wär­tig, wie er es in der Eu­cha­ris­tie ist – und das kann viel­leicht ein Trost auch sein für die Kin­der, die trotz ei­ner lan­gen Vor­be­rei­tungs­zeit nun noch nicht Ih­re Erst­kom­mu­ni­on emp­fan­gen durften.

Lie­be Schwes­tern, lie­be Brü­der. Es geht auf die Fei­er­ta­ge Chris­ti Him­mel­fahrt und Pfings­ten zu. Ich wün­sche Ih­nen, dass Sie in die­sen Ta­gen, aber auch dar­über hin­aus, im­mer wie­der Be­geg­nun­gen mit dem Auf­er­stan­de­nen er­fah­ren – in sei­nen un­ter­schied­li­chen Wei­sen, in de­nen er uns na­he sein will. Viel­leicht auch ge­ra­de da, wo wir es nicht erwarten?

Marc Teu­ber