(Jes 9, 1–6; Tit 2, 11–14; Lk 2, 1–14)
Liebe Schwestern und Brüder,
ehrlich gesagt, fehlt mir gerade zu Weihnachten unser gemeinsames Singen sehr, fehlt mir die Sorglosigkeit, mit der sonst alle, die möchten, in die Kirche kommen können auch sehr und bereitet es mir in mancher Hinsicht auch Bauchschmerzen. Insofern, gemessen an „normalen“ Weihnachten, kann es nicht so recht weihnachtlich werden. Aber letztlich sind „normale“ Weihnachten für uns auch ein großes Geschenk, denn es gibt immer Menschen, denen so gar nicht weihnachtlich zumute ist. Vielleicht spüren wir in diesen Zeiten besonders die uns alle verbindende Sehnsucht, dass das Leben doch etwas heller werden möge, und zwar nicht nur für uns, sondern für alle Menschen und Geschöpfe. Niemand hat ja ein Anrecht, im Lichte leben zu dürfen, was immer das auch bedeutet. Aber alle haben ein Recht auf ein menschenwürdiges Dasein, auf Frieden, auf Wertschätzung, auf mehr liebevolle Taten und weniger Worten, denen keine Taten folgen. Das Geheimnis Gottes stärkt in uns die Hoffnung, dass das möglich sei. Er macht nicht gleich die ganze Welt licht und heil, sondern er begnügt sich mit dem, was wir alle können: er zündet ein kleines Licht der Liebe und Menschlichkeit an jenen Orten an, die niemand als besonders wichtig auf dem Schirm hat. Weihnachten ist auch der flehentliche Ruf Gottes an uns alle, die Finsternisse nicht noch finsterer sein zu lassen, indem wir Lichter der Menschlichkeit, der Liebe und Barmherzigkeit unbedacht und manchmal auch gedankenlos ausblasen, weil wir meinen, ein Recht dazu zu haben, das Gegenteil zu leben. Es geht Weihnachten nicht zuerst um schöne Gefühle, so berechtigt diese auch sein mögen. Es geht nicht um „Friede, Freude, Eierkuchen“, die außerweihnachtlich auch nicht sind. Es geht darum, Gott für seine mutige Liebe zu danken, selbst Menschsein und Menschlichkeit zu wagen, damit wir ermutigt werden, es ihm gleich zu tun. Wenn jemand wirklich Glück und Sinn in seinem Leben sucht, dann findet er sie in dieser Richtung. Wir Menschen wissen manchmal nicht, wie wir das anstellen sollen. Wir wissen viel zu oft, wie wir wehtun und gedankenlos sein können. Weihnachten redet Gott nicht, sondern tut er etwas, was eigentlich unglaublich ist. Er lacht uns an in einem Kind, kommt nicht mit künstlicher und lächerlich, aufgeblasener Größe daher, nein, er kommt bedürftig, klein und verletzlich. Das nämlich ist Menschsein, das wir teilen, ja eigentlich das, was wir erst einmal wieder zulassen sollen. Aber genau dieses Weihnachten fällt so schwer, in der Kirche, wie in den Gesellschaften. Aber dennoch und immer wieder sei es gesagt: es gibt sie, die vielen, die wie die Hirten so verrückt sind zu glauben, dass das Universum, das Geheimnis der Liebe, das geliebte DU, nach dem sich alles sehnt, ein Kind ist, in Windeln gewickelt, in einer Krippe, in einem Kaff Namens Bethlehem. Diesem verrückten Gott glaube ich gerne, dafür liebe ich ihn und alle, die den Mut und die Größe haben, es ihm gleich zu tun, so zaghaft, wie auch immer! Danke Gott, Danke allen, die Menschsein zulassen. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)