Weih­nach­ten 2022

(Jes 9, 1–6; Tit 3, 4–7; Lk 2, 1–14)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
Weih­nach­ten ist ein Fest, das emo­tio­nal sehr auf­ge­la­den ist und mit Er­war­tun­gen be­schwert, die mit vie­len Ängs­ten und zwie­späl­ti­gen Ge­füh­len ver­bun­den sind. Dar­um ent­zie­hen sich vie­le auch gänz­lich den Fei­er­lich­kei­ten. Es stimmt schon: so, wie wir Weih­nach­ten ge­wöhn­lich fei­ern, hat es nicht viel mit dem zu tun, was die­ses Fest uns Tröst­li­ches ins Herz schrei­ben will. Trotz­dem kann ich das Be­dürf­nis ver­ste­hen, an Weih­nach­ten et­was hei­le­re Welt spie­len zu wol­len, wo doch die Welt oft so un­heil er­scheint und ist. Ich den­ke, dass so­gar Gott sel­ber Ver­ständ­nis da­für hat.
Wenn man sich das erst ein­mal ehr­lich ein­ge­ste­hen wür­de, dann könn­te das schon mal ei­ne Men­ge Druck her­aus­neh­men. Wenn Gott Freu­de an dem Spiel ei­ner hei­len Welt hät­te, wür­de er ja mit­spie­len. Tut er aber nicht. Ei­gent­lich ent-täuscht er so­gar al­le Er­war­tun­gen in die­ser Rich­tung. Und über­haupt ent-täuscht er bis heu­te auf gan­zer Li­nie. Denn im Grun­de ge­nom­men kön­nen wir theo­lo­gisch wie prak­tisch nicht wirk­lich viel mit Weih­nach­ten an­fan­gen. Wir wol­len ei­nen all­mäch­ti­gen Gott und er kommt als be­dürf­ti­ges Kind da­her. Wir wol­len kla­re und sau­be­re Ver­hält­nis­se und er kommt im pro­vi­so­ri­schen und we­nig ge­ruchs­freund­li­chen Am­bi­en­te bei uns an. Wir wol­len ihn in „ewi­ge Wahr­hei­ten“ ein­wi­ckeln, er be­vor­zugt Win­deln, die man im­mer wie­der wa­schen bzw. er­neu­ern muss. Wir wol­len gleich per­fek­te und ta­del­lo­se Hei­li­ge sein, er wird erst ein­mal Mensch und lädt zur Mensch­wer­dung ein. Der En­gel fliegt nicht in die re­li­giö­se Zen­tra­le zu den sog. „Stell­ver­tre­tern Got­tes“, son­dern zu den Hir­ten, die in der dunk­len Nacht bei ih­ren Scha­fen wa­chen und blei­ben.
Got­tes Bot­schaft sei­ner lie­be­vol­len und zärt­li­chen Nä­he gilt den nor­ma­len Men­schen, gilt den nor­ma­len Um­stän­den, dem wirk­li­chen und nicht dem er­träum­ten Le­ben. Da soll un­spek­ta­ku­lär und wie ne­ben­bei Weih­nach­ten statt­fin­den, oh­ne gro­ße Ge­füh­le und ei­ne il­lu­sio­nä­re Stim­mung, die man in der Re­gel nur mit Mü­he auf­recht er­hal­ten kann. Meis­tens ist dann Weih­nach­ten gar nicht an Weih­nach­ten und braucht da­zu auch kei­nen Weih­nachts­baum, kei­ne sü­ßen Krip­pen­spie­le und Schnee.
Al­le al­so, de­nen in die­sen Ta­gen viel­leicht et­was mul­mig zu­mu­te ist, die ih­ren Weih­nachts­stress (meis­tens der Müt­ter und Frau­en), ih­re Sor­gen, Nö­te und Ängs­te, ih­re gan­ze Sehn­sucht nach et­was Lie­be und Heil nicht ein­fach so los­wer­den kön­nen – ih­nen al­len gilt das weih­nacht­li­che „Fürch­tet euch nicht!“, das der En­gel zu den Hir­ten sagt. Aus all‘ die­sen oft schmerz­li­chen Er­fah­run­gen will uns das Kind heu­te an­lä­cheln und uns sa­gen: Ich bin da! Du brauchst nicht aus der sog. „Rea­li­tät“ flie­hen, weil ge­nau da mein Weih­nach­ten für dich ist. Ich hab Ver­ständ­nis, wenn du es trotz­dem tust. Ich kom­me mit, über­all hin, vor al­lem will ich da sein, wenn dich die sog. „Rea­li­tät“ wie­der ein­holt. Ich und mei­ne lie­be­vol­le Nä­he sind seit heu­te auch Rea­li­tät, und dar­über sollst du dich heu­te ein­fach freu­en, auch wenn dir gar nicht da­nach ist.
Mö­ge die­se Fro­he Bot­schaft uns ein we­nig Frie­den brin­gen, uns trös­ten, uns er­mu­ti­gen, dar­an zu glau­ben, dass wir nie oh­ne sei­ne Lie­be und Nä­he sind und sein wer­den.
Das wün­sche ich uns heu­te und in je­der Mi­nu­te un­se­res Le­bens. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)