Weih­nach­ten 2023

(Jes 9, 1–6; Lk 2, 1–14)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
der hei­li­ge Evan­ge­list Lu­kas ver­or­tet die Ge­burt Je­su in der his­to­ri­schen Ge­schich­te. Kai­ser Au­gus­tus und Qui­ri­ni­us, der Statt­hal­ter von Sy­ri­en, sind his­to­ri­sche Per­so­nen wie Je­sus auch. Und in de­ren Zeit hat sich die Ge­burt Je­su er­eig­net. Sie sind al­so in­di­rek­te Zeu­gen die­ses Er­eig­nis­ses. Dann hört aber schon his­to­ri­sches Fak­tum auf. Denn in Wirk­lich­keit hat die Welt die Ge­burt Je­su ver­passt. Was uns der Evan­ge­list Lu­kas dar­über er­zählt, ist kein his­to­ri­scher Film­aus­schnitt, wohl aber ei­ne Glau­bens­er­fah­rung, die es in sich hat. Wun­der­bar ist sie, weil das Ge­heim­nis Got­tes we­der da auf­taucht, wo man es ge­wöhn­lich er­war­tet, noch wie es ge­schieht.
Manch­mal den­ke ich, dass der In­halt der Bot­schaft von Weih­nach­ten es nicht wirk­lich in die Pra­xis ge­schafft hat, we­der in die theo­lo­gi­sche, noch in die re­li­giö­se. Un­se­re Weih­nachts­bräu­che sind da auch nicht ganz hilf­reich, sonst dürf­ten sich nicht so vie­le da­mit schwer tun oder sich ein­sam füh­len. Theo­lo­gisch ge­se­hen, gibt es ein kras­ses Über­ge­wicht von Os­tern ge­gen­über Weih­nach­ten. Frei­lich er­leich­tert dies das Fei­ern von himm­li­scher Lit­ur­gie, das Po­chen auf Stell­ver­tre­ter des ös­ter­li­chen Je­sus zu sein, mit ent­spre­chen­der Macht- und Pracht­ent­fal­tung. Legt man die­se Fo­lie heu­te aber wirk­lich ernst­haft auf das Weih­nachts­er­eig­nis, dann muss man schon bei­de Au­gen zu­drü­cken, um nicht se­hen zu müs­sen, wie weit die tat­säch­li­che Pra­xis von Weih­nach­ten ent­fernt ist. Der Maß­stab von Weih­nach­ten wird ja nicht ein­fach von Os­tern auf­ge­ho­ben. Be­vor es ein Le­ben da­nach gibt, gibt es näm­lich ein Le­ben da­vor. Und das gilt es im Sin­ne Got­tes und Je­su zu ge­stal­ten.
Vor lau­ter Hal­le­lu­ja­men­ta­li­tät ha­ben wir ver­ges­sen, Gott in der All­täg­lich­keit des Le­bens zu deu­ten und zu fin­den.
Jetzt mal ehr­lich, wür­de ir­gend­ei­ner al­len Erns­tes glau­ben, dass das Zei­chen der Nä­he des größ­ten und un­fass­bars­ten Ge­heim­nis­ses ein Kind ist, in Win­deln ge­wi­ckelt und in ei­ner Krip­pe lie­gend? Da steckt so viel Wert­schät­zung des All­täg­li­chen drin, des Klei­nen, des Un­be­deu­ten­den, des Un­be­ach­te­ten, dass da jeg­li­cher Macht­miss­brauch ei­gent­lich aus­ge­schlos­sen ist.
Die ers­ten Adres­sa­ten die­ser un­glaub­li­chen Bot­schaft sind nicht die wich­ti­gen, of­fi­zi­el­len Re­li­gi­ons­ver­tre­ter, son­dern nicht be­son­ders be­lieb­te Hir­ten, al­so heu­te auch all‘ je­ne, die es mit un­se­rem Weih­nach­ten schwer ha­ben und die, die sich ein­sam füh­len, weil sie al­lein und nicht in Fa­mi­lie sind.
Die­ser Je­sus wird nicht ge­bo­ren in ei­ner „ewi­gen Stadt“, nicht in Trutz­bur­gen von ewi­gen Wahr­hei­ten und im­mer schon Ge­wuss­ten, son­dern un­ter­wegs, im Un­ge­wis­sen, da, wo wir al­le sind. Da soll uns Sei­ne Nä­he ge­wiss wer­den, ge­nau da will das Ge­heim­nis Got­tes uns na­he sein, un­se­re Fi­xie­rung auf das Strah­len­de und Gro­ße lö­sen und un­se­ren Blick auf das Kind len­ken, das Klei­ne, Be­dürf­ti­ge, das sich nach Lie­be Seh­nen­de, al­so auf al­les, was wir sel­ber sind.
Weih­nach­ten ist das Pro­gramm von Mensch­wer­den, von Mensch­lich­keit, die Ent­de­ckung des Gött­li­chen im so un­gött­lich Er­schei­nen­den.
Ich wün­sche uns und der gan­zen Welt den gött­li­chen Weih­nachts­geist und dass er das prak­ti­sche Mit­ein­an­der, auch struk­tu­rell, wirk­lich prägt. Wie hieß es am En­de des Evan­ge­li­ums? „Eh­re sei Gott in der Hö­he und Frie­de auf Er­den den Men­schen sei­nes Wohl­ge­fal­lens.“ Amen, so sei es!

(P. Tho­mas Röhr OCT)