(Mal 3, 1–4; Hebr 2, 11–12.13c-18; Lk 2, 22–40)
Liebe Schwestern und Brüder,
im Jahre 2021 feiern wir 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland. Ich schreibe diese Predigt am 27.01.2021, jenem Tag vor 76 Jahren, als die Rote Armee das KZ Auschwitz befreite. Dieser Tag ist einerseits in Deutschland der Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus und zum anderen weltweit Internationaler Gedenktag an die Opfer des Holocaust. Warum erwähne ich dies? Weil das Fest der Darstellung des Herrn am 02.02. deutliche Bezüge zum Judentum hat.
Früher hieß dieses Fest „Mariä Lichtmess“. Wer diese Festbezeichnungen zum ersten Mal hört, wird vermutlich „Bahnhof verstehen“. Aber selbst die, die mit christlichen Festen vertraut sind, werden damit ihre Mühe haben. Leider ist das mit vielen, religiösen Begrifflichkeiten so.
Der Hintergrund dieses Festes ist also ganz und gar jüdisch, denn es geht einmal um die vom jüdischen Gesetz geforderte Auslösung des Erstgeborenen durch ein Tieropfer (Ex 13, 2.15). Zum anderen galt eine jüdische Frau nach der Geburt eines Kindes als „unrein“ und musste nach 40 Tagen ein Reinigungsopfer darbringen, was ein Schaf und eine Taube bei reicheren, zwei Turteltauben bei ärmeren Menschen bedeutete (Lev 12, 1–8). Bei diesem Fest zeigt sich einmal mehr, dass das Christentum seine Wurzeln im Judentum hat und ohne dieses gar nicht verstanden werden kann.
Die Ostkirche nennt dieses Fest „Fest der Begegnung des Herrn“. Problematisch finde ich es, wenn man im neuen Schottmessbuch zur Einführung liest: „Der Messias kommt in seinen Tempel und begegnet dem Gottesvolk des Ersten Bundes, vertreten durch Simeon und Hanna.“ Maria, Josef und das Kind Jesus gehören ja zum Volk des Ersten Bundes und blieben es ihr Leben lang. Sie kommen also nicht sozusagen als Vertreter des Zweiten Bundes wie von außen her in den Tempel. Auch die Begriffe „alt“ und „neu“ sollte man überdenken, weil „alt“ immer etwas wie „überholt“ klingt. Das hat das Messbuch, Gott sei Dank, geändert.
Dennoch finde ich, dass der Begriff „Fest der Begegnung“ eine schöne Formulierung ist. Denn wirkliche Begegnung war und ist das Anliegen Gottes, ist später die Praxis des erwachsenen Juden Jesus, der durch heilsame und entängstigende Begegnungen Räume schafft, in denen Gott (das „Reich Gottes“) als nahe und liebevoll erfahren werden kann.
Genau das wird es für zwei alte, jüdische Menschen, für Simeon und die Prophetin Hanna nämlich, deren Herzaugen nicht trüb geworden sind und die längst schon ahnten, dass Gott nicht „in Macht und Herrlichkeit“ erscheint, sondern in einem kleinen, liebesbedürftigen Kind. Dass sie fähig waren, in der Zerbrechlichkeit und Bedürftigkeit das Licht der Gegenwart Gottes zu erkennen, lässt sie alles andere, als „alt“ aussehen. Sie bleiben in alle Ewigkeit Vorbilder für offene Menschen, für religiöse Menschen allemal, die nicht in ihrer Angst nur an Alten und Bekannten kleben, sondern Gott je neu erwarten in einer Weise, wie ER begegnen möchte, nämlich in der Regel spektakulär unspektakulär, in einem bedürftigen Menschenkind und nicht in einem unverwundbaren, königlichen Helden. Das ist die „ewige Wahrheit“, wenn man so will. Sie drückt sich auch aus im Namen „Simon“, der „Gott hat erhört“ und im Namen „Hanna“, der „Gott hat sich erbarmt“ bedeutet. Ihre Begegnung mit Maria, Josef und dem Baby Jesus wurde für sie zum Licht. Daran erinnert an diesem Tag auch die Kerzenweihe und ‑prozession. Möge auch uns die Offenheit der beiden alten Menschen Simeon und Hanna geschenkt sein, damit wir das Licht der Gegenwart Gottes in der Alltäglichkeit unseres Lebens wahrnehmen, vor allem in dem, was uns als klein, unbedeutend, bedürftig und so verletzlich erscheint. „Unsere Schwachheit verbindet uns“, sagte mal ein Mystiker. So werden wir auch „Feste der Begegnung“ feiern können, zwischen Juden und Christen, zwischen Muslimen und Buddhisten, zwischen Religiösen und Religionsfreien, zwischen Menschen eben, auf verschiedensten Wegen zu gemeinsam geteiltem Menschsein. Amen, so sei es!
(P. Thomas Röhr OCT)
Wer mag, kann zu Hause gerne den Lichtritus durchführen, den wir immer am Beginn des Festes halten. Vielleicht ist sogar ein 7armiger Leuchter zur Hand. Es gehen aber auch 7 Teelichter.
Liebe Schwestern und Brüder,
der siebenarmige Leuchter ist von alters her ein jüdisches Symbol für die Vollendung, für die Fülle des Lebens mit und bei Gott.
Wir wollen nun die einzelnen Kerzen entzünden und ihnen eine Deutung geben. Möge jenes Licht in unsere Herzen leuchten, das wir gerade am meisten brauchen.
Licht von der Osterkerze
Die 1. Kerze entzünden wir mit der Bitte um ein Licht der Gottesnähe in unserem Leben
Die 2. Kerze entzünden wir mit der Bitte um ein Licht des Glaubens, das mitten in der Nacht des Zweifels und bohrender Fragen weiterleuchtet
Die 3. Kerze entzünden wir mit der Bitte um ein Licht der Hoffnung, das unsere Hoffnungen nicht untergehen lässt
Die 4. Kerze entzünden wir mit der Bitte um ein Licht der Liebe, das uns trägt und in aller Lieblosigkeit dennoch an den Gott der Liebe glauben lässt
Die 5. Kerze entzünden wir mit der Bitte um ein Licht der Barmherzigkeit, das uns heilt und alle Herzlosigkeit verbrennt
Die 6. Kerze entzünden wir mit der Bitte um ein Licht der Gerechtigkeit, das allen und allem ein Recht auf Leben und Liebe schenken möge
Die 7. Kerze entzünden wir für das Licht des Friedens (Schalom) mit Gott, mit uns selbst, miteinander, mit der Schöpfung und dem ganzen Universum
(P. Thomas Röhr OCT, Birkenwerder, den 05.02.2011 / Febr. 2013/2019)