(Ex 23, 20–23a; Mt 18, 1–5,10)
Liebe Schwestern und Brüder,
im Mittelalter haben manche Theologen manchmal ihre Überlegungen auf die Spitze getrieben. Wo man aber in Extreme fällt, wird es immer irgendwie falsch. Kurz, die mittelalterlichen Theologen beschäftigten sich mit der lebensfernen Frage, wie viele Engel auf eine Nadelspitze passen. Das ist natürlich eine dumme Fragestellung, stellt aber Engel nicht in Frage, wie es eher heute der Fall sein könnte. Es kann sogar sein, dass es nie zuvor so viele Menschen gab, die die Existenz eines Gottes so radikal in frage stellen. Daran haben die, die Gott ständig im Munde führen, nicht wenig Anteil, weil sie durch ihr Leben und Tun Gottes Gegenwart eher verdunkeln, wie es schon das II. Vatikanische Konzil bekannt hat.
Wir, die wir die Existenz Gottes nicht in frage stellen wollen und uns um Glauben bemühen möchten, stellen als erstes einmal fest, dass es immer zuerst um das Geheimnis Gottes gehen muss, um das Festhalten an seiner unfassbaren und bedingungslosen Liebe. Wer Engel, Maria oder was auch immer zum ersten Mittelpunkt seines Glaubens macht, hat nicht selten schon seinen Glauben an Gott verloren. Wir glauben auch nicht zuerst an die Kirche und schon gar nicht an sein Bodenpersonal, das sich manchmal einfach zu wichtig nimmt. Nein, wir glauben an Gott und seine sorgende Liebe. Vielleicht sind Engel so etwas wie Boten dieser Botschaft: Gott liebt dich, Gott sorgt sich um dich, Gott geht alle Wege mit dir und will für dich Heil für Seele und Leib. Vielleicht treten manchmal auch andere Dinge an seine Stelle, weil er selbst uns zu fern erscheint, zu unnahbar dargestellt wird oder uns Schicksalsschläge an seiner grundsätzlichen Liebe zweifeln lassen. Das ist schon durchaus verständlich.
Aber dieser Jesus von Nazareth hat alles dafür getan, um Menschen davon zu überzeugen, dass Gott liebevoll nahe ist. Er sprach immer davon, dass das Himmelreich nahe ist .Damit umschrieb er immer das Geheimnis Gott selbst. Dieses Himmelreich war eben keine Vertröstung auf ein erträumtes Jenseits, sondern sollte vor allem darin spürbar werden, wo Menschen wieder heiler wurden an Leib und Seele. Darin spürten und erfuhren sie wieder neu die liebevolle Sorge Gottes, an die sie neu glauben konnten. Man könnte auch sagen, dass Jesus dadurch ein wundervoller und heilsamer Engel Gottes war, der nicht nur auf einen Himmel danach vertrösten, sondern seine heilsame Nähe auf Erden aufleuchten lassen wollte.
Überall, wo sich Heil ereignet, begegnen uns Engel als Boten der liebevollen Nähe Gottes. Dazu ist kein Religionsbekenntnis nötig, sondern einzig und allein heilsame Liebe.
Vielleicht muss man nicht immer alles bin ins Letzte erklären und verstehen wollen. Vielleicht muss man manche Dinge auch einfach so stehen lassen. Erich Fried schrieb mal: „Es ist, was es ist, sagt die Liebe“! So ist es mit Vielem, so ist es mit Engeln.
In einer Zeit, die scheinbar so beängstigend geworden ist und uns dunkle Geister erschrecken, kann es ganz heilsam sein, Engel an seiner Seite zu wissen. Sie müssen keine Flügel haben und auch nicht so aussehen. Aber sie beflügeln und haben vor allem ein großes Herz, durch die uns eine große, himmlische Liebe heilsam berührt. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)