(1 Kor 13, 1–13; Joh 13, 31–35)
Liebe Schwestern und Brüder,
Therese von Lisieux, deren 150. Geburtstag wir dieses Jahr feiern und die vor 100 Jahren seliggesprochen wurde, wurde am 14.12. 1927 neben dem hl. Franz Xaver (1506 – 1552) zur Patronin der Weltmission ernannt. Während der hl. Franz Xaver, Mitbegründer der Jesuiten, ein Wegbereiter christlicher Mission in Ostasien war und in China starb, hat Therese ihr Kloster in Lisieux nie verlassen. Wie kann es dann also sein, dass ausgerechnet sie zur Patronin der Weltmission ernannt wurde? Sicher, sie verspürte den Wunsch, Missionarin zu sein und hatte auch Kontakt zu zwei Missionaren. Aber auch das reicht ja wohl nicht als Begründung aus, sie zur Patronin der Mission zu ernennen.
Sie selbst liefert in ihren „Selbstbiografischen Schriften“ den Hinweis darauf. In ihrer schmerzlichen Suche einer Antwort auf die Frage, warum sie ausgerechnet im Kloster einen so tiefen Wunsch, Missionarin sein zu wollen, in sich trug, erlöste sie geradezu eine Stelle des hl. Paulus aus dem 1. Korintherbrief, und zwar das 13. Kapitel, in dem es immer wieder heißt:…„und hätte aber die Liebe nicht“…! Und in Vers 13 heißt es dann: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung und Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe!“ (1 Kor 13, 13)
Schon Martin Luther wurde durch den Römerbrief des hl. Paulus von seiner inneren Qual erlöst, wie er denn einen gnädigen Gott finden könne. Dies löste in seiner Zeit ein religiöses und politisches Erdbeben aus und führte schließlich zur Reformation.
Aber die Erfahrung der hl. Therese beim Lesen des 1. Korintherbriefes ist nicht weniger revolutionär. Sie erlöste den missionarischen Gedanken aus der Engführung bloßen Seelenrettens hin zu einem Leben und Mitsein aus Liebe. Und nebenbei gesagt, wurde Martin Luther und Therese auch von einem Gottesbild befreit, das nur ängstigend und krankmachend war.
Ihre Erfahrung beschreibt Therese so:
„Die Liebe gab mir den Schlüssel meiner Berufung. Ich begriff, dass die Kirche ein Herz hat, und dass dieses Herz von Liebe brennt. Ich erkannte, dass die Liebe allein die Glieder der Kirche in Tätigkeit setzt, und würde die Liebe erlöschen, so würden die Apostel das Evangelium nicht mehr verkünden, die Märtyrer sich weigern, ihr Blut zu vergießen. Ich begriff, dass die Liebe alle Berufungen in sich schließt, dass die Liebe alles ist, dass sie alle Zeiten und Orte umspannt…, mit einem Wort, dass sie ewig ist!…Endlich habe ich meine Berufung gefunden! Meine Berufung ist die Liebe!…Ja, ich habe meinen Platz in der Kirche gefunden, und diesen Platz, mein Gott, den hast du mir geschenkt: Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein…!“
Ja, was Therese da für alle Zeiten erkannt hat, das ist die Grundbotschaft aller Christen: Unsere Berufung ist die Liebe! Das ist sie freilich nicht abstrakt, sondern immer konkret, als Hilfe und Beistand zu mehr Leben und Liebe in dieser Welt und Kirche. Und wie nötig haben das gerade unsere Welt und Kirche.
Es nützt doch nichts, Therese als Heilige zu feiern und ihre Reliquien herumzureichen, wenn man sich nicht an ihrem Geist entzünden will. Auch hier stört uns ihre Erfahrung und die Botschaft des hl. Paulus im 1. Korintherbrief: es geht doch um eine Haltung der Liebe, einer Liebe, die zupackt, die wertschätzend ist, die menschenwürdiges Leben für alle will, die sich für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einsetzt, und, und, und…
Mag diese Liebe noch so verborgen sein, sie wirkt missionarisch in alle Welt. Das leben Christinnen und Christen in Syrien und in dem Libanon, an die wir heute besonders denken und uns mit ihnen verbunden wissen. Das leben Menschen mit oder ohne Religion. Sie sind Hoffnung für uns, für die Kirche, für die Religionen, für die Menschheit, für unsere Erde. Das ist die bleibende, frohe Botschaft inmitten aller Nachrichten, die so oft nur das Dunkle und Negative sehen können. Amen.
(P. Thomas Röhr OCT)