Zum Sonn­tag der Welt­mis­si­on (22.10.2023)

(1 Kor 13, 1–13; Joh 13, 31–35)

Lie­be Schwes­tern und Brü­der,
The­re­se von Li­sieux, de­ren 150. Ge­burts­tag wir die­ses Jahr fei­ern und die vor 100 Jah­ren se­lig­ge­spro­chen wur­de, wur­de am 14.12. 1927 ne­ben dem hl. Franz Xa­ver (1506 – 1552) zur Pa­tro­nin der Welt­mis­si­on er­nannt. Wäh­rend der hl. Franz Xa­ver, Mit­be­grün­der der Je­sui­ten, ein Weg­be­rei­ter christ­li­cher Mis­si­on in Ost­asi­en war und in Chi­na starb, hat The­re­se ihr Klos­ter in Li­sieux nie ver­las­sen. Wie kann es dann al­so sein, dass aus­ge­rech­net sie zur Pa­tro­nin der Welt­mis­si­on er­nannt wur­de? Si­cher, sie ver­spür­te den Wunsch, Mis­sio­na­rin zu sein und hat­te auch Kon­takt zu zwei Mis­sio­na­ren. Aber auch das reicht ja wohl nicht als Be­grün­dung aus, sie zur Pa­tro­nin der Mis­si­on zu er­nen­nen.
Sie selbst lie­fert in ih­ren „Selbst­bio­gra­fi­schen Schrif­ten“ den Hin­weis dar­auf. In ih­rer schmerz­li­chen Su­che ei­ner Ant­wort auf die Fra­ge, war­um sie aus­ge­rech­net im Klos­ter ei­nen so tie­fen Wunsch, Mis­sio­na­rin sein zu wol­len, in sich trug, er­lös­te sie ge­ra­de­zu ei­ne Stel­le des hl. Pau­lus aus dem 1. Ko­rin­ther­brief, und zwar das 13. Ka­pi­tel, in dem es im­mer wie­der heißt:…„und hät­te aber die Lie­be nicht“…! Und in Vers 13 heißt es dann: „Für jetzt blei­ben Glau­be, Hoff­nung und Lie­be, die­se drei; doch am größ­ten un­ter ih­nen ist die Lie­be!“ (1 Kor 13, 13)
Schon Mar­tin Lu­ther wur­de durch den Rö­mer­brief des hl. Pau­lus von sei­ner in­ne­ren Qual er­löst, wie er denn ei­nen gnä­di­gen Gott fin­den kön­ne. Dies lös­te in sei­ner Zeit ein re­li­giö­ses und po­li­ti­sches Erd­be­ben aus und führ­te schließ­lich zur Re­for­ma­ti­on.
Aber die Er­fah­rung der hl. The­re­se beim Le­sen des 1. Ko­rin­ther­brie­fes ist nicht we­ni­ger re­vo­lu­tio­när. Sie er­lös­te den mis­sio­na­ri­schen Ge­dan­ken aus der Eng­füh­rung blo­ßen See­len­ret­tens hin zu ei­nem Le­ben und Mit­sein aus Lie­be. Und ne­ben­bei ge­sagt, wur­de Mar­tin Lu­ther und The­re­se auch von ei­nem Got­tes­bild be­freit, das nur ängs­ti­gend und krank­ma­chend war.
Ih­re Er­fah­rung be­schreibt The­re­se so:
„Die Lie­be gab mir den Schlüs­sel mei­ner Be­ru­fung. Ich be­griff, dass die Kir­che ein Herz hat, und dass die­ses Herz von Lie­be brennt. Ich er­kann­te, dass die Lie­be al­lein die Glie­der der Kir­che in Tä­tig­keit setzt, und wür­de die Lie­be er­lö­schen, so wür­den die Apos­tel das Evan­ge­li­um nicht mehr ver­kün­den, die Mär­ty­rer sich wei­gern, ihr Blut zu ver­gie­ßen. Ich be­griff, dass die Lie­be al­le Be­ru­fun­gen in sich schließt, dass die Lie­be al­les ist, dass sie al­le Zei­ten und Or­te um­spannt…, mit ei­nem Wort, dass sie ewig ist!…Endlich ha­be ich mei­ne Be­ru­fung ge­fun­den! Mei­ne Be­ru­fung ist die Liebe!…Ja, ich ha­be mei­nen Platz in der Kir­che ge­fun­den, und die­sen Platz, mein Gott, den hast du mir ge­schenkt: Im Her­zen der Kir­che, mei­ner Mut­ter, wer­de ich die Lie­be sein…!“
Ja, was The­re­se da für al­le Zei­ten er­kannt hat, das ist die Grund­bot­schaft al­ler Chris­ten: Un­se­re Be­ru­fung ist die Lie­be! Das ist sie frei­lich nicht abs­trakt, son­dern im­mer kon­kret, als Hil­fe und Bei­stand zu mehr Le­ben und Lie­be in die­ser Welt und Kir­che. Und wie nö­tig ha­ben das ge­ra­de un­se­re Welt und Kir­che.
Es nützt doch nichts, The­re­se als Hei­li­ge zu fei­ern und ih­re Re­li­qui­en her­um­zu­rei­chen, wenn man sich nicht an ih­rem Geist ent­zün­den will. Auch hier stört uns ih­re Er­fah­rung und die Bot­schaft des hl. Pau­lus im 1. Ko­rin­ther­brief: es geht doch um ei­ne Hal­tung der Lie­be, ei­ner Lie­be, die zu­packt, die wert­schät­zend ist, die men­schen­wür­di­ges Le­ben für al­le will, die sich für Frie­den, Ge­rech­tig­keit und Be­wah­rung der Schöp­fung ein­setzt, und, und, und…
Mag die­se Lie­be noch so ver­bor­gen sein, sie wirkt mis­sio­na­risch in al­le Welt. Das le­ben Chris­tin­nen und Chris­ten in Sy­ri­en und in dem Li­ba­non, an die wir heu­te be­son­ders den­ken und uns mit ih­nen ver­bun­den wis­sen. Das le­ben Men­schen mit oder oh­ne Re­li­gi­on. Sie sind Hoff­nung für uns, für die Kir­che, für die Re­li­gio­nen, für die Mensch­heit, für un­se­re Er­de. Das ist die blei­ben­de, fro­he Bot­schaft in­mit­ten al­ler Nach­rich­ten, die so oft nur das Dunk­le und Ne­ga­ti­ve se­hen kön­nen. Amen.

(P. Tho­mas Röhr OCT)